In vielen Handwerksbetrieben ist er noch heute zu finden: Der autoritäre Führungsstil. Er zeichnet sich dadurch aus, dass der Chef als „Befehlsgeber“ auftritt. Er sagt, was wie gemacht werden muss und duldet keine Widerrede. Er sieht in dem Gesellen den klassischen Arbeiter als „Befehlsempfänger“. Wer heute seinen Malerbetrieb noch nach dieser Methode führt, könnte bald das Nachsehen haben.
Von Freiheit und Verantwortung
Die Welt ist im Umbruch. Die Digitalisierung hat uns fest im Griff. Menschen ticken vermehrt digital. Das merkt jeder in seinem eigenen Leben und in seinem Umfeld. Da werden online Einkäufe erledigt, online Filme geschaut, online Zeitungen gelesen und online Nachrichten an Freunde und Bekannte versendet. Feste Ladenschlusszeiten, fixe Sendezeiten im Fernsehen, das morgendliche Lesen von Printzeitungen und das Besetztzeichen des Telefons sind „Schnee von gestern“. Der Mensch muss sich nicht mehr an vorgegebene Zeiten halten. Durch das weltweite Web kann er nachts einkaufen „gehen“ und seinen Freunden eine Nachricht zukommen lassen, wann immer er will. Die Digitalisierung hat also zu einer größeren Freiheit des einzelnen geführt. Diese liebgewonnene Freiheit funktioniert auf Dauer aber nur, wenn der Einzelne sie verantwortungsvoll nutzt. Denn wer die halbe Nacht einkauft oder chattet, wird am nächsten Morgen völlig übermüdet in den Tag starten. Wer nicht mehr mit Bargeld bezahlt, sondern nur noch per Klick mit Karte, muss sicherstellen, dass das Geld auf dem eigenen Konto reicht. Die Digitalisierung hat daher zu einem neuen Miteinander von Freiheit und Verantwortung geführt. Freiheit und Verantwortung bedingen einander.
Vom Befehlsgeber zum modernen Coach
Die Führungskraft muss den Mitarbeiter genau dort abholen. Freiheit und Verantwortung – genau diese zwei Komponenten prägen daher den neuen Führungsstil in einem Unternehmen. Freiheit und Verantwortung stehen aber in krassen Gegensatz zu einem Führungsstil nach „Befehl und Gehorsam“. Führungskräfte, die dieser neuen Entwicklung Rechnung tragen wollen, müssen sich also von althergebrachten Führungsweisen verabschieden. Sie werden vom „Befehlsgeber“ zu einem modernen Coach. Ein Coach ist weiterhin eine starke Führungskraft. Doch anstatt sich in permanenten Anweisungen zu verlieren, kommuniziert er – wenn möglich digital – mit seinen Mitarbeitern und begleitet seine Mitarbeiter konstruktiv auf ihrem Weg das Ziel zu erreichen. Für einen Malerbetrieb heißt das, dass die Mitarbeiter zunächst einmal das Baustellenziel und damit auch die Erwartungshaltung des Chefs kennen müssen. Der Chef hat während der gesamten Projektabwicklung das Baustellenziel ebenfalls stets im Blick und begleitet die Mitarbeiter auf ihrem Weg dorthin.
Produktivität durch Information steigern
Der digitale Malerbetrieb ist genau für diese neue Führungsaufgabe bestens vorbereitet. Modernste Technologie gibt dem Betrieb heutzutage Führungsinstrumente an die Hand, die den Mitarbeiter nicht zum Befehlsempfänger degradieren, sondern ihm mehr Freiheiten einräumen und mehr Verantwortung übertragen. Dabei spielt aber ein weiterer Begriff eine wichtige Rolle, die in der alten Führungsweise fast nicht vorkam: Information. Der Mitarbeiter muss das von ihm geforderte Baustellenziel verstehen, um sich motiviert an die Arbeit zu machen. Verstehen wiederum setzt Informationen voraus und Informationen sind letztendlich Daten, die im Zeitalter der Digitalisierung problemlos zur Verfügung stehen. Durch die schnelle, weltweite Vernetzung lassen sich Informationen schnell und gezielt von überall abrufen und versenden – auch von und zur der Baustelle. So wird der Mitarbeiter selbst Teil des betrieblichen Netzwerkes.
Selbststeuerung durch Technik
Während bei Baustellenbesuchen der Chef früher seine Mitarbeiter ohne weitere Erklärung anwies, schneller zu arbeiten und mürrisch erklärte: „Das Zimmer muss bis heute Abend fix und fertig tapeziert sein“, erledigt diese Form der „Weisung“ heutzutage die digitale Mitarbeiterinformation. Hier sieht der Mitarbeiter schwarz auf weiß, mit welchen Zeiten die Baustelle kalkuliert wurde, um ein positives Ergebnis zu liefern. Er weiß, der Kunde zahlt einen Preis und zieht man die Materialkosten ab, so muss das, was übrig bleibt, ausreichend sein, um die von ihm und seinen Arbeitskollegen verbrauchte Arbeitszeit zu decken, oder anders gesagt: Der Mitarbeiter weiß, er muss mit seinen Kollegen die Arbeit in der vom Kunden bezahlten Zeit schaffen. Durch Zeitinformation wird für ihn das Ziel greifbar. Es ist nicht irgendeine Anweisung „ins Blaue“ hinein. Es sind Fakten, die das Baustellenziel für ihn fassbar machen. Jetzt kann der Mitarbeiter das Ziel eigenverantwortlich auf der Baustelle umsetzen.
Als eine Art Etappenziel muss für Mitarbeiter und Chef das tägliche Arbeitsergebnis sichtbar werden, denn beide müssen wisse, wo die Baustelle aktuell steht. Da der Mitarbeiter Teil des digitalen Malerbetriebs ist, wird dies durch die digitale Erfassung von tätigkeitsbezogenen Arbeitszeiten schnell erreicht. So erhalten Chef und Mitarbeiter den gewünschten Informationsgewinn. Der Chef bekommt den Baufortschritt digital angezeigt und sieht, ob sich die Baustelle noch im Soll liegt oder nicht und kann als Coach bei Bedarf gegensteuern. Aber auch der Mitarbeiter sieht, ob die Baustelle gut oder schlecht in der Zeit liegt und kann darauf reagieren. So funktioniert Selbststeuerung durch modernste Technik. Auf Basis dieser Informationen können aber auch Absprachen zwischen Chef und Mitarbeiter wesentlich schneller getroffen werden. Statt „Befehl und Gehorsam“ erhält der Mitarbeiter Informationen, die ihm mehr Freiraum einräumen und ihn gleichzeitig zur Übernahme von Verantwortung anhalten. Wie im privaten Leben führt die Digitalisierung auch im betrieblichen Bereich zu einem neuen Miteinander von Freiheit und Verantwortung.
Der attraktive Arbeitgeber von morgen
Betriebe, die ihr altes Führungsverständnis frühzeitig ad acta legen und auf einen modernen Führungsstil setzen, werden den Wert ihrer Arbeitgebermarke deutlich erhöhen. Vor allem junge Gesellen werden einem Malerbetrieb mit althergebrachter Führungsweise nicht lange erhalten bleiben. Im Malerhandwerk sind Fachkräfte Mangelware. Wer als Betrieb hier nicht auf der Strecke bleiben will, muss die Zeichen der Zeit erkennen und umdenken. Nur so wird er in den nächsten Jahren für Nachwuchshandwerker attraktiv sein und seine qualifizierte Arbeitskräfte rekrutieren können. Mitarbeiter wollen in keinem Betrieb von gestern arbeiten, sondern sie wollen den Betrieb für die Zukunft gut aufgestellt wissen. Hier ist es ebenso wie in der Politik. Die letzten Wahlen haben es gezeigt. Die Menschen erwarten von den Parteien Antworten auf Zukunftsfragen. Parteien, die nicht in der Lage sind, hierauf eine Antwort zu präsentieren, werden abgestraft. Unternehmer müssen ebenso vorausschauend denken und handeln, um dauerhaft am Markt präsent zu sein, getreu dem Sprichwort: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.