Mehr als sechs Monate beschäftigt uns nun schon die Corona-Pandemie und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Die Coronakrise und ihre Auswirkungen sind mittlerweile fester Bestandteil unseres Privatlebens und unserer Arbeitswelt geworden. Malerunternehmer standen und stehen wie viele andere Bauhandwerker vor neuen organisatorischen, aber auch rechtlichen Herausforderungen.
Trieb die Betriebe zu Beginn der Pandemie die Angst vor Lieferengpässen, Baustellenstopps und Betriebsschließungen um und wusste niemand so recht um die rechtlichen Auswirkungen, hat sich diese Panik zwischenzeitlich gelegt. Der Blick hat sich geändert und zugleich stehen neue Fragen im Raum. Malerblog.net hat dies zum Anlass genommen mit dem Rechtsexperten Dr. Marvin Lederer einen rechtlichen Rück- und Ausblick zu wagen. Höhere Gewalt, die Nichteinhaltung der AHA-Regeln auf Baustellen und eine Impfpflicht von Arbeitnehmern kommen zur Sprache und erfahren eine rechtliche Bewertung durch Rechtsanwalt Dr. Marvin Lederer aus der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf.

Herr Dr. Lederer, wir sprachen bereits vor sechs Monaten zum Thema „Corona am Bau“ und die daraus resultierenden rechtlichen Problemstellungen miteinander. In Zeiten von Corona ist alles sehr dynamisch. Wie hat sich die Situation aus rechtlicher Sicht entwickelt?
Das Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat erklärte per Erlass bereits im März, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht per se höhere Gewalt darstellen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie können höhere Gewalt darstellen, müssen es aber nicht. Diese Ansicht ist richtig und lenkt die Thematik in bekannte Bahnen: Der Malerunternehmer muss eine konkrete Behinderung der geplanten Leistung durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie nachweisen. Hierfür muss er genau vorgehen und die konkrete Vertragsleistung benennen, die er nicht ausführen kann und den Grund dafür nennen.
Corona war und ist kein kurzfristiges Phänomen. Eine zweite Welle wird häufig für den kommenden Herbst/Winter prophezeit. Werden sich Betriebe bei coronabedingten Leistungsstörungen dann noch auf „höhere Gewalt“ berufen können?
Für Auftragnehmer dürfte es kommenden Herbst sicherlich nicht leichter werden, sich wegen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf höhere Gewalt zu berufen. Der Malerunternehmer muss seine Leistung vorausschauend planen. Er muss deshalb selbst an mögliche Leistungserschwernisse, wie Lieferengpässe oder den Ausfall von eigenem Personal oder Subunternehmern denken und schon jetzt Alternativen und Reserven prüfen. Spätestens seit dem Frühjahr wissen wir alle, dass im schlimmsten Fall mit weitreichenden Einschränkungen zu rechnen ist bis hin zum Lock-Down. Malerunternehmer müssen daher den genügenden Weitblick haben.
Werfen wir einen Blick auf die Baustelle. Die IG Bau kritisiert derzeit die schwindende „Corona-Disziplin“ auf Baustellen. Geltende Regeln wie das Befolgen der Abstandregeln, das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und eine entsprechend adäquate Handhygiene würden fehlen. Welche Konsequenzen könnte ein solch lockeres Verhalten für den Betrieb haben?
Wir müssen sicherlich davon ausgehen, dass auch Kontrollen von Baustellen bei einer befürchteten zweiten Corona-Welle im Herbst verschärft werden. Bei festgestellten Verstößen drohen nicht nur Bußgelder, sondern auch Ordnungsmaßnahmen bis hin zur Schließung eines Betriebs oder gar der Baustelle. Für den Auftragnehmer, der hier das „schwarze Schaf“ ist, kann es dann teuer werden. Denn es ist seine Vertragspflicht selbst die Corona-Schutzmaßnahmen auf der Baustelle einzuhalten. Der Auftraggeber und andere Auftragnehmer, die durch behördlich angeordnete Vorbeugemaßnahmen Bauzeitverzögerungen hinnehmen müssen, können Schadensersatzansprüche geltend machen.
Auf Großbaustellen arbeiten oft viele Gewerke nebeneinander. Angenommen ein Betrieb hält sich nicht an die Corona-Regeln. Was ist dem Malerunternehmer zu raten, der sich mit seinem Team an die Regeln hält und der verpflichtet ist, seine Mitarbeiter vor Infektionen bestmöglich zu schützen?
Der Malerunternehmer, der sich durch das Fehlverhalten anderer am Bau gefährdet sieht, sollte dem Auftraggeber und Bauherrn die Verletzung der Corona-Schutzmaßnahmen sofort anzeigen. Es ist grundsätzlich niemanden zuzumuten, sich einer offenen Gefahr bei der Arbeit auszusetzen. Der Auftraggeber und Bauherr muss dann Abhilfe schaffen und für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen sorgen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann der Malerunternehmer Behinderung anmelden. In diesem Fall verlängern sich Vertragsfristen und er kann einen Verzögerungsschaden geltend machen.
Kein Auftraggeber ist an einem coronabedingten Baustellenstopp interessiert. Private oder öffentliche Auftraggeber könnten daher auf die Idee kommen, eine Impfung der auf der Baustelle Beschäftigten zur Bedingung bei der Auftragsvergabe zu machen. Wäre so etwas zulässig? Oder anders gefragt: Dürfte ein Malerunternehmer seine Arbeitnehmer zur Impfung verpflichten?
Nach derzeitiger Rechtslage besteht keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus. Bislang dementierte die Bundesregierung Gerüchte, wonach eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus vorbereitet werde. Rechtlich möglich wäre eine Impfpflicht aber. Bis eine Impfpflicht gesetzlich eingeführt wird, können Auftraggeber – jedenfalls einseitig nach Vertragsschluss – den Malerunternehmer nicht dazu zwingen, sein Personal zu impfen.
Aus diesem Grund dürfte auch ein Malerunternehmer von seinen Arbeitnehmern nicht verlangen, dass sich diese impfen lassen. Das gilt umso mehr, als dass das Arbeiten auf der Baustelle grundsätzlich keine Arbeit mit besonders hohem Infektionsrisiko ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr Lederer.