Nach langem Hin und Her haben Unternehmen seit ein paar Wochen Gewissheit: Die elektronische Rechnung, kurz E-Rechnung, wird im B2B-Bereich Pflicht. Der Bundesrat hat am 22. März 2024 grünes Licht für das Wachstumschancengesetz gegeben und damit auch den Weg für die verpflichtende E-Rechnung im zwischenunternehmerischen Geschäftsverkehr geebnet.
Was bedeutet diese Pflicht jetzt für Handwerksbetriebe? Welche Anforderungen müssen sie künftig erfüllen? Wie sollten sie bei der Umsetzung vorgehen? Darüber und über die Hintergründe der neuen E-Rechnung haben wir mit Thomas Scheld, Geschäftsführer des inhabergeführten Softwarehauses C.A.T.S.-Soft aus Gladenbach, gesprochen.
Herr Scheld, bereits zum 1. Januar 2025 wird die verpflichtende E-Rechnung eingeführt. Wer ist davon betroffen?
Jedes Unternehmen ist von der Pflicht zur elektronischen Rechnung betroffen, ganz unabhängig von Größe und Branche. Der Gesetzgeber hat keine Ausnahme vorgesehen. Die E-Rechnung ist daher auch für Handwerksbetriebe verpflichtend umzusetzen und betrifft den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen. Es gibt lediglich für das Erstellen von E-Rechnungen Übergangsfristen, die sich zum Teil nach der Umsatzgröße eines Unternehmens richten. Aber dazu später sicher mehr.
Was genau ist unter einer E-Rechnung zu verstehen?
Kurz gesagt: Nicht das, was bisher unter einer elektronischen Rechnung verstanden wurde. Der Gesetzgeber führt mit der Pflicht zur E-Rechnung eine neue Begriffsbestimmung ein, sprich er definiert die „elektronische Rechnung“ neu. Ab 1. Januar 2025 ist nach dem Umsatzsteuergesetz unter einer E-Rechnung eine Rechnung zu verstehen, die in einem einheitlich strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Der Aufbau des strukturierten Datensatzes muss dabei der Europäischen Norm EN16931 entsprechen.
Für die in Deutschland vor allem von KMUs schon oft genutzten Formate XRechnung sowie das hybride ZUGFeRD-Format hat das Bundesfinanzministerium schon im Oktober 2023 bestätigt, dass beide Formate der europäischen Norm und damit der neuen Begriffsbestimmung entsprechen. Diese Klarstellung war sehr wichtig und gibt der deutschen Wirtschaft Sicherheit, denn in Deutschland werden – wie bereits gesagt – von vielen Unternehmen diese beiden Formate schon zum Rechnungsaustausch genutzt. Auch wir als C.A.T.S.-Soft kennen als Softwarehersteller diese beiden Formate schon sehr gut und haben sie schon seit Jahren in unsere betriebswirtschaftlichen Softwarelösungen integriert.
Für Handwerksbetriebe, die für öffentliche Auftraggeber arbeiten, ist die XRechnung im Übrigen auch nichts Neues, denn um öffentliche Aufträge (B2G) abrechnen zu können, müssen sie schon seit einiger Zeit XRechnungen erstellen und übermitteln.
Wichtig zu wissen ist, dass die reine PDF-Rechnung, die im Markt weit verbreitet ist, ab 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung gilt.
Die klassische PDF-Rechnung gilt also ab 2025 nicht mehr als elektronische Rechnung. Warum ändert man das?
Eine klassische PDF-Rechnung ist nichts anderes als eine digitale Darstellung einer herkömmlichen Papierrechnung. Es handelt sich um unstrukturierte Daten, die nicht maschinenlesbar sind, sondern manuell weiterverarbeitet werden müssen. An eine elektronische Rechnung stellt der Gesetzgeber aber künftig das Erfordernis der maschinellen Lesbarkeit und automatischen Weiterverarbeitung und das aus dem folgenden Grund: Die Pflicht zur elektronischen Rechnungstellung ist nur der erste Schritt. In einem zweiten Schritt soll in ein paar Jahren, aktuell ist von 2028 die Rede, ein elektronisches Meldesystem für B2B-Umsätze eingeführt werden. Dann werden die Umsätze in Echtzeit über eine Plattform an die Finanzbehörden gemeldet und die Umsatzsteuer direkt aus der elektronischen Rechnung gelesen. Auf diese Weise soll dem Umsatzsteuerbetrug Einhalt geboten werden. Doch um dies erfolgreich umsetzen zu können, müssen alle Unternehmen elektronische, also einheitlich strukturierte und damit auslesbare Rechnungen erstellen.
Herr Scheld, Sie sprachen von Rechnungen in den Formaten XRechnung und ZUGFeRD, die ab 2025 in Deutschland als elektronische Rechnung akzeptiert sind und von Ihrer C.A.T.S.-Software bereits heute erstellt und empfangen werden können. Wo liegt der Unterschied bei diesen beiden Formaten?
Mit beiden Formaten werden Rechnungsdaten in strukturierter und damit maschinenlesbarer Weise übermittelt. Während die XRechnung ausschließlich aus einem XML-basierten Datensatz besteht, also einem „Code“, der nur für Maschinen, aber nicht für Menschen lesbar ist, verbindet das ZUGFeRD-Format beide Welten. Hier haben wir vereinfacht gesagt eine Kombination aus PDF-Rechnung und XML-Datei. Eine ZUGFeRD-Rechnung ist damit nicht nur für Maschinen, sondern auch für Menschen lesbar. Daher spricht man bei ZUGFeRD auch von einem hybriden Format.
ZUGFeRD-Rechnungen können daher auch an Privatkunden per E-Mail versendet werden, da die Rechnung ja auch im PDF-Format angezeigt wird. Das hybride Format hat daher für Handwerksbetriebe einen echten Mehrwert. Es kann sowohl bei Firmen- als auch Privatkunden genutzt werden.
Unternehmens- und Branchenverbände meldeten sich schon vor Verabschiedung des Gesetzes zu Wort und warnten vor einer zeitlichen, aber auch finanziellen Überforderung vor allem von Kleinbetrieben. Was meinen Sie dazu?
Diese Einschätzung teile ich nicht. Handwerksbetriebe, die bereits für öffentliche Auftraggeber arbeiten, nutzen bereits die elektronische Rechnungstellung. Für sie bedeutet die Neuerung nur eine Erweiterung auf den B2B-Sektor.
Aus unserem Kundenkreis wissen wir zudem, dass viele unserer Kunden bereits heute schon von einigen Lieferanten E-Rechnungen im ZUGFeRD-Format erhalten und automatisch in ihrer C.A.T.S.-Software weiterverarbeiten. Das bietet ihnen eine enorme Zeitersparnis. Diese Betriebe freuen sich regelrecht über die Pflicht zur E-Rechnung, da nun alle Lieferanten, also sämtliche Hersteller und Großhändler angehalten sind, auf die elektronische Rechnungsstellung umzustellen. Das ermöglicht ihnen noch weiteres Einsparpotenzial.
Zugegeben, diese Betriebe sind bereits gut digitalisiert und sie ernten schon seit Jahren die Früchte ihrer Investition. Deutschland hinkt in vielen Branchen der Digitalisierung hinterher und das betrifft auch viele Handwerksbetriebe. Das ist ein offenes Geheimnis. Aber auch hier würde ich nicht allzu Schwarz sehen.
Mein Tipp für Betriebe, die schon eine marktübliche Branchensoftware einsetzen und nicht wissen, ob ihre Software elektronische Rechnungen erstellen und verarbeiten kann: Kontaktieren Sie Ihren Softwarehersteller und fragen Sie nach. Vielleicht werden Sie positiv überrascht sein, da die Software bereits eRechnungs-konform arbeitet.
Betriebe, denen es tatsächlich an der erforderlichen Infrastruktur für das Erstellen und Empfangen von E-Rechnungen noch fehlt, sollten sich allerdings nicht mehr allzu viel Zeit lassen, um den Betrieb fit für die E-Rechnung zu machen. Nichts ist schlechter als unter Zeitdruck Entscheidungen treffen zu müssen.
Haben Betriebe denn wirklich Zeitdruck? Es gibt doch Übergangsfristen – oder nicht?
Ja, es gibt sogar großzügige Übergangsfristen bis Ende 2027. Allerdings gelten diese nur für das Ausstellen von E-Rechnungen. Für den Empfang von elektronischen Eingangsrechnungen gibt es solche Übergangsfristen explizit nicht. Das heißt: Stellt der Lieferant ab 1. Januar 2025 auf XRechnung um, muss der Unternehmer ein System vorhalten, das XRechnungen empfangen kann.
Für das Ausstellen von elektronischen Rechnungen geben die Übergangsfristen den Unternehmen tatsächlich eine gewisse, zeitliche Flexibilität bei der Umstellung. Für die Jahre 2025 und 2026 besteht kein gesetzlicher Zwang zur Erstellung von E-Rechnungen im neuen Format. Hier kann weiterhin so verfahren werden, wie bisher. Das heißt, sowohl Papierrechnungen als auch elektronische Rechnungen, die nicht dem neuen Format entsprechen – zum Beispiel reine PDF-Rechnungen – sind in diesem Zeitraum noch zulässig. Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von maximal 800.000 Euro haben noch ein weiteres Jahr die Möglichkeit, für die im Jahr 2027 getätigten Umsätze Rechnungen auf die herkömmliche Weise auszustellen. Aber ab 1. Januar 2028 müssen alle Unternehmen elektronische Rechnungen im neuen Format erstellen und empfangen können.
Sie sprachen von Einsparpotenzialen bei der Erstellung und beim Empfang von E-Rechnungen. Können Sie ein paar Punkte konkret benennen?
Ein bekanntes Argument ist, dass man jede Menge Papier und Porto mit der E-Rechnung einspart. Das macht sich in der Summe bei mittleren und größeren Betrieben durchaus finanziell bemerkbar. Aber vor allem kleinere Betriebe motiviert die Papier- und Portoersparnis nicht wirklich, was verständlich ist, denn das Einsparpotenzial korreliert natürlich mit dem Rechnungsvolumen. Aber der Abschied von Papierrechnungen bedeutet natürlich auch, keine Pendelordner mehr zum Steuerberater fahren oder Papierrechnungen umständlich scannen zu müssen, um sie dann an den Steuerberater weiterzugeben.
Das, was die meisten Betriebe, vor allem aber auch Kleinbetriebe unterschätzen, ist ein echter Mehrwert, den echte elektronische Rechnungen gegenüber herkömmlichen Rechnungen bieten. Durch die automatische Rechnungsverarbeitung entsteht ein immenser Zeitgewinn.
Nicht nur auf den Baustellen, auch im Büro fehlen Fachkräfte. Mit der automatischen Datenverarbeitung werden Fakturierung, Buchhaltung und Controlling massiv entlastet. Betriebe, die schon heute von ihren Großhändlern auslesbare elektronische Rechnungen erhalten, verarbeiten diese Daten automatisch im Rechnungseingangsjournal, zur Zahlungsanweisung fürs Online-Banking oder in der Buchhaltungssoftware. Zugleich werden die relevanten Daten automatisch in die Nachkalkulation des Projekts übernommen und natürlich wird auch ein automatischer Abgleich mit der Bestellung vollzogen, schließlich soll ja alles seine Ordnung haben. All diese Aufgaben werden in den meisten Handwerksbetrieben derzeit noch vom Büropersonal manuell, also von Hand erledigt. Das kostet jede Menge Zeit und es kommt oft zu Erfassungsfehlern wie zum Beispiel zu dem bekannten Zahlendreher. Im digitalen Büro werden diese Aufgaben von der Branchensoftware erledigt. Das spart jede Menge Zeit und sichert dem Betrieb zurzeit noch einen Wettbewerbsvorsprung. Denn sind wir auch mal ehrlich, nicht nur der Fachkräftemangel macht den Betrieben zu schaffen. Die Personalkosten sind immens. Jeder, der hier Kosten einsparen kann, freut sich.
Noch eine abschließende Frage: Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Betrieb bei der Umstellung auf bzw. Einführung der E-Rechnung vorgehen?
Zunächst einmal sollte der Betrieb bei seinem Softwarehersteller nachfragen, ob die eingesetzte Fakturierungssoftware bereits E-Rechnungen in dem vom Gesetzgeber künftig geforderten Format schreiben, empfangen und verarbeiten kann. Ist dies der Fall oder die Voraussetzung dafür geschaffen, dann empfiehlt es sich, mit dem Steuerberater das weitere Vorgehen zu besprechen. Hier ist auch wichtig zu klären, welche Softwarelösung der Steuerberater einsetzt und ob das Softwarehaus dazu eine passende Schnittstelle im Programm hat. Denn auch der Rechnungsaustausch zum Steuerberater gehört zu einer gut durchdachten Vorbereitung.
Vielen Dank für das Gespräch.