In Deutschland haben sich seit Beginn der Pandemie etwa 6 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Mehr als 100.000 Menschen sind verstorben. Aber längst nicht jeder Genesene ist wieder gesund bzw. arbeitsfähig. Menschen, die einen schweren Covid-19-Verlauf mit intensivmedizinischer Behandlung überleben, müssen einen langen Rekonvaleszenzprozess bewältigen. Darüber hinaus ist mittlerweile bekannt, dass es bei einer Infektion mit Corona zu Langzeitfolgen kommen kann. In diesem Zusammenhang wird gerne von dem sogenannten Long-COVID-Syndrom gesprochen, wobei zur Ursache und Fortdauer der Symptomatik noch wenig bekannt ist. Dennoch bedeutet dies für viele Betroffene, dass sie trotz Genesung für einen längeren Zeitraum aufgrund der Folgewirkung arbeitsunfähig sind.
Wie bei jeder anderen Erkrankung, ist der Arbeitgeber auch bei einer Corona-Erkrankung des Beschäftigten zur Lohnfortzahlung von bis zu sechs Wochen verpflichtet. Nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber stellt sich für den betroffenen Beschäftigten dann die Frage nach der weiteren Absicherung.
Grundsätzlich springt die Krankenkasse mit Krankengeld ein. Doch ist die Arbeitsunfähigkeit auf eine Berufskrankheit oder Arbeitsunfall zurückzuführen, ist dies ein Fall für die Berufsgenossenschaft. Das wiederum führt in der Regel zu einem höheren Verletztengeld und einer besseren Versorgung bei Rehamaßnahmen. Aber: Kann eine Corona-Infektion ein Arbeitsunfall sein?
Seit Beginn der Pandemie hat die gesetzliche Unfallversicherung bei 103.244 Versicherten COVID-19 als Berufskrankheit und bei 10.202 Versicherten als Folge eines Arbeits- oder Schulunfalls anerkannt. Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV, Mitteilung vom 14.9.2021 |
Auch wenn Arbeitsplätze nicht der Hauptort für Infektionen sind, eine Rolle spielen sie dennoch, konstatiert die Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in einer Mitteilung. Als Berufskrankheit kommt eine COVID-19-Erkrankung allerdings grundsätzlich nur bei Beschäftigten im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege und in Laboren in Betracht. Sie sind per se einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt, sodass hier auch Beweiserleichterungen greifen.
Erfolgt in anderen Branchen eine Ansteckung am Arbeitsplatz, ist vielen Arbeitgebern und Beschäftigten tatsächlich nicht bewusst, dass hier ein Arbeitsunfall in Betracht kommen könnte.
Ein Arbeitsunfall liegt nach §8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vor, wenn eine versicherte Person infolge einer Tätigkeit nach §2 SGB VII, §3 SGB VII oder §6 SGB VII (sogenannte versicherte Tätigkeit) einen Unfall erleidet. Unfälle sind nach §8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Quelle: Wikipedia |
Laut der für das Bauhandwerk zuständigen Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) ist eine Infektion mit dem Coronavirus als Arbeitsunfall anzuzeigen, wenn
- die oder der Versicherte nachweislich an COVID-19 erkrankt,
- die oder der Versicherte zumindest leichte Symptome zeigt und
- der Ursprung der Infektion im Bereich der versicherten Tätigkeit vermutet wird. Ein Bezug der Infektion zur versicherten Tätigkeit kann etwa vorliegen, wenn es bei der Arbeit oder in der Schule zu intensivem Kontakt mit einer infizierten Person oder zu einem größeren Infektionsausbruch gekommen ist.
Treffen diese Bedingungen allesamt zu, sollte eine COVID-19-Erkrankung als Arbeitsunfall gemeldet werden. Meldepflichtig ist eine solche Infektion, wenn die Erkrankung zu einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens drei Tagen oder zum Tode geführt hat. Für die Anzeige einer berufsbedingten Coronainfektion steht auf den Seiten der BG Bau das Meldeformular für Arbeitsunfälle zur Verfügung. Treten keine Krankheitssymptome auf, muss die Covid-19-Infektionen nicht gemeldet werden, sollte laut BG Bau aber immer – genauso wie Infektionen mit Krankheitssymptomen – im Verbandbuch dokumentiert werden. Die Eintragung erleichtere die Untersuchung und Anerkennung von möglichen Spätfolgen einer Infektion.
Auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung sind Arbeitgeber zu regelmäßigen Anpassungen des betrieblichen Hygienekonzeptes verpflichtet. Wird dieses Hygienekonzept durch die Beschäftigten konsequent umgesetzt, sollten sich berufsbedingte Coronaerkrankungen auch am Bau bestmöglich vermeiden lassen. Die erst kürzlich in Kraft getretene 3G-Regel für den Arbeitsplatz dürfte zusätzlich für einen weiteren Schutz vor Infektionen sorgen. Der beste Schutz vor einer schweren Covid-19-Erkrankung ist aber laut Expertenmeinung nach wie vor eine Impfung. Daher dürfte die derzeit auf politischer Ebene diskutierte Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ebenso ein wichtiger Schutz vor berufsbedingten Coronainfektionen und damit verbundenen langen Ausfallzeiten am Arbeitsplatz sein.