Was ist ein typischer Vorgesetzter im Maler- und Stuckateurhandwerk? Der typische Vorgesetzte ist fast immer der Betriebsinhaber, denn das Durchschnittsunternehmen im Maler- und Stuckateurhandwerk beschäftigt weniger als fünf Mitarbeiter. Häufig handelt es sich hierbei um Familienunternehmen, die von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Leider wird man aber nicht als „Führungskraft“ geboren.
Chef werden ist leicht – Chef sein ist schwer
Wer einen Betrieb erbt oder gründet, wird schnell Chef. Aber Chef „sein“ ist unendlich schwerer. Während in Konzernen Abteilungsleiter auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet werden, ist es im Handwerk oft „learning by doing“. Fachlich perfekt ausgebildet wird so mancher Juniorchef oder Existenzgründer in Sachen „Führung“ sprichwörtlich ins kalte Wasser geworfen. Wer über das „nötige Talent“ verfügt, kann sich glücklich schätzen. Für alle anderen ist die Bewältigung der Führungsaufgabe tagtäglich eine neue Herausforderung. Unterlaufen dem Chef Führungsfehler, zahlt er „Lehrgeld“. Demotivierte Mitarbeiter, mangelnde Produktivität, hohe Mitarbeiterkranktage sowie eine hohe Mitarbeiterfluktuation sind häufig die Folge.
Führungsschwäche: Harmonie um jeden Preis
Es gibt sie wirklich: Chefs, die mit ihren Mitarbeitern auf Kuschelkurs gehen. Das ist insbesondere in Kleinbetrieben ein nicht zu unterschätzendes Problem. Hier kennt jeder jeden. Man hat ein gutes Verhältnis zueinander. Auch die Familien der Mitarbeiter sind dem Chef oft gut bekannt. Die Mitarbeiter sind eine Art „erweiterter Freundeskreis“. Jetzt den Chef „raushängen“ lassen, das geht doch nun wirklich nicht. Falsch gedacht. Während der Arbeitszeit ist der Chef nicht der „beste Freund“ oder „der Kumpel von nebenan“. Er ist der „Leitwolf“ und sagt wo’s langgeht. Er macht Vorgaben, kontrolliert deren Umsetzung und verteilt Lob und Kritik. Alles unter dem Stichpunkt „Fair play“ – das versteht sich von selbst. Aber die Rollenverteilung muss unter allen Beteiligten klar sein.
Das gilt übrigens auch für Führungskräfte, die harmoniesüchtig sind und jeder Konfrontation mit einem Mitarbeiter aus dem Weg gehen. Ein solches Verhalten trägt langfristig nicht zum Betriebsfrieden bei. Die Führungsschwäche wird vielmehr vom Mitarbeiter erkannt und bei nächster Gelegenheit bewusst oder unbewusst zum eigenen Vorteil (aus)genutzt.
Führungsschwäche: unliebsame Entscheidungen ignorieren
Täglich müssen Entscheidungen getroffen werden. Da kommt kein Chef drum herum. Alltägliche Entscheidungen sind schnell Routine und bereiten keine Sorgen. Aber es gibt auch Entscheidungen, die nicht alltäglich sind und so manchem Chef schlaflose Nächte bereiten. Natürlich verteilt ein Chef lieber Lohnprämien statt Leistung einzufordern. Natürlich macht es mehr Spaß, Mitarbeiter zu loben statt zu kritisieren. Oft ist es nicht die Angst vor der Entscheidung selbst, die den Chef zögern lässt. Er weiß meist sehr genau, was er im Interesse des Betriebs wie entscheiden muss. Hier steht die Angst vor Kritik oder vor Unverständnis der Anderen im Vordergrund. Wer sich immer fair verhält, wird auch unliebsame Entscheidungen treffen können, ohne Gefahr zu laufen, mit dieser Entscheidung auf völliges Unverständnis zu stoßen. Er wird gute Argumente für seine Entscheidung haben, die seine Mitmenschen zumindest nachvollziehen können – auch wenn sie diese vielleicht nicht immer teilen werden. Wer allerdings willkürlich handelt oder sich gar vor Entscheidungen drückt, wird von seinen Mitarbeitern, Kunden oder Geschäftspartnern als schwach empfunden. Und vor allem: Ein Chef, der sich vor Entscheidungen drückt, gefährdet Arbeitsplätze – die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter.
Führungsschwäche: Mitarbeiter bloßstellen
Auf der Baustelle: Es ist kurz vor Feierabend. Die letzte Tapetenrolle wird angebrochen. Doch die Wand ist längst noch nicht fertig tapeziert. Ein Mitarbeiter setzt sich schnell ins Auto und fährt zum Lager, um die noch fehlenden Tapetenrollen zu holen. Doch die Arbeit wird an diesem Tag nicht wie versprochen fertig. Der Kunde ist sauer. Und der Chef erwidert: „Was soll ich sagen. Meine Mitarbeiter sind halt Deppen, die haben einfach zu wenig von den Rollen eingepackt.“ Der Chef stellt seine Mitarbeiter vor dem Kunden bloß. Das geht gar nicht. Er muss sich vor seine Mitarbeiter stellen und darf vor dem Kunden keine Schuldzuweisung in dieser Art und Weise treffen. Ein Satz wie „Es tut mir leid. Wir haben heute Morgen leider zu wenig Material geladen“ hätte den Sachverhalt ebenso wahrheitsgetreu wiedergegeben, ohne Mitarbeiter zu demütigen und die Schuld von sich zu weisen. Vielleicht gab es gar keine Ladeliste und die Mitarbeiter wussten schlichtweg nicht, wie viel Material sie mitnehmen mussten, um den Auftrag abzuwickeln. Dann wäre das ein Organisationsfehler und damit Führungsfehler des Chefs und kein Problem der Mitarbeiter.
Den gleichen Führungsfehler begeht auch, wer seinen Mitarbeitern nicht konkrete Arbeiten zuweist. Ist die Arbeitsleistung dann nicht so wie erhofft, ist der Chef schnell mit Kritik dabei. Doch wer nicht weiß, was von ihm erwartet wird, der kann auch keine Bestleistung bringen.
Ein Chef, der sich klar und konsequent verhält, ist für seine Mitarbeiter berechenbar. Das schafft Verlässlichkeit und Vertrauen. Wer also Probleme mit seinen Mitarbeitern hat, sollte sich fragen „Liegt es an mir?“
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