Der Bauboom setzt dem Handwerksmarkt zu. So müssen Kunden derzeit Wochen bis Monate auf einen Termin mit einem Handwerker warten. Das stimmt die Kunden nicht freudig und jeder denkt, die Freude wäre auf der Seite der Handwerker. Vergessen wird dabei häufig, dass diese Situation auch für Handwerksbetriebe eine echte Herausforderung darstellt. Zu viele Aufträge können einen Unternehmer ebenso stressen wie eine schlechte Auftragslage. Werden hier Fehler gemacht, so führt dies schnell zu Engpässen, die weitere Probleme nach sich ziehen und die erfolgreiche Auftragsabwicklung massiv gefährden können. Daher ist gerade in Zeiten voller Auftragsbücher der Chef in vielfältiger Weise gefordert. Betriebliches Engpassmanagement© wird für Malerunternehmer in dieser Zeit überlebenswichtig.
Unter Betrieblichem Engpassmanagement (BEM)© ist die Gesamtheit von Maßnahmen zu verstehen, die einem Unternehmer zur Verfügung stehen, um Koordinationsprobleme in seinem Unternehmen zu vermeiden oder zu beheben. Das Zauberwort heißt hier „vorausschauend arbeiten“. Generell gilt, dass Engpässe vermieden werden sollten, wann immer es geht. Dafür muss der Malerunternehmer natürlich die Schwachstellen kennen, an denen es zu Engpässen kommen kann. Und er muss wissen, wie er diese vermeiden kann.
Auftragsflut schafft viele Engpässe
Vor allem im Ausbauhandwerk kommen im Frühjahr die Aufträge ins Haus geflattert. Vor Angebotsanfragen können sich viele Malerunternehmer derzeit nicht retten. Viele Betriebsinhaber verfahren allerdings nach dem Motto „Mitnehmen, was zu kriegen ist“ und so werden häufig schon zu Jahresbeginn ohne Ende Aufträge geschrieben. Das hat oft fatale Folgen. Merkt der Malerunternehmer erst bei Einplanung der Aufträge, dass die Terminwünsche der Kunden nicht mit der Auftragslage des Betriebs in Einklang zu bringen sind, entstehen schnell Terminengpässe.
Damit aber noch nicht genug. Oft wird der Betrieb auch mit schlechten Aufträgen regelrecht zugemüllt und die lukrativen Baustelle bleiben auf der Strecke, da die betrieblichen Kapazitäten erschöpft sind. Hier gilt es für den Malerunternehmer nicht in Panik zu verfallen. Angebotsanfragen sind zu sondieren und auf Lukrativität und Umsetzbarkeit zu prüfen. Das Augenmerk muss auf die profitablen Aufträge gelegt werden. Man muss nicht jeden Auftrag annehmen. Gewinnbringende Aufträge haben immer Vorrang. Dies zu entscheiden obliegt aber nicht dem Bauchgefühl, sondern basiert auf einer sauberen Angebotskalkulation. Letztere gibt auch Auskunft über die zeitliche Inanspruchnahme des Auftrags. Dies ist immens wichtig, um das Projekt frühzeitig einzuplanen. Nur so lassen sich Terminüberschneidungen und Terminengpässe vermeiden. Termintreue wird bei den Kunden groß geschrieben. Der Kunde erwartet zu Recht einen pünktlichen Arbeitsstart. Wer dies nicht gewährleisten kann, verprellt den Kunden bereits noch bevor er mit der eigentlichen Arbeit begonnen hat.
Engpass an Bauzeiten
Um Aufträge erfolgreich abwickeln zu können, bedarf es der Mitarbeiter. Doch Gesellen wachsen bekanntlich nicht auf Bäumen. Das heißt bei der Vielzahl an Aufträgen, die angenommen werden, muss der eigene Mitarbeiterstamm berücksichtigt werden. Fachkräfte in Form neuer Mitarbeiter oder Leiharbeitnehmer stehen nur begrenzt zur Verfügung. Eine aktuelle Analyse der Jobplattform Joblift hat ergeben, dass im Maler- und Lackiererhandwerk in den letzten zwei Jahren fast 150.000 Stellen online ausgeschrieben waren. Dabei ist die Zahl ausgeschriebener Stellen in den letzten 12 Monaten um 36 Prozent gestiegen. Die Vakanzen konnten erst nach durchschnittlich 37 Tagen besetzt werden. Dies zeigt, der Arbeitsmarkt ist quasi leergefegt. Von heute auf morgen geht gar nichts. Das muss bei der Auftragsannahme berücksichtigt werden, wenn sich der Betrieb nicht übernehmen will. Der Betrieb muss mit den verfügbaren Mitarbeitern auskommen.
Für eine optimale Arbeitsorganisation müssen die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter, deren Leistungsfähigkeit sowie ihre Stärken und Schwächen bekannt sein. Nur so lassen sich orientiert an den Anforderungen der Baustelle die richtigen Mitarbeiter einplanen, was für eine optimale Zeitsteuerung der Baustelle wiederum unerlässlich ist. Sind die Mitarbeiter nicht in der Lage die eingeplanten Zeiten einzuhalten, läuft die Baustelle zeitlich aus dem Ruder. So wiederum entstehen Engpässe bei der Abwicklung weiterer Aufträge. Die Frage, welcher Mitarbeiter kann was wie gut und wie schnell, sollte der Chef zwingend beantworten können. In vielen Betrieben ist dieses Wissen über die Fähigkeiten der Mitarbeiter leider nicht bekannt und so wird der ursprüngliche Zeitplan schnell überschritten. Mitarbeiter müssen immer ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. Das ist Aufgabe des Chefs.
Eine weitere Chefaufgabe ist es, jede Baustelle in ihren Arbeitsabläufen optimal zu planen. Auch hier wird gerne jede Menge Zeit verschenkt. Mit einer geordneten Arbeitsfolgeplanung für jede Baustelle lassen sich Mehrarbeiten und Zusatzarbeiten vermeiden. Das spart Zeit und der für die Baustelle veranschlagte Zeitplan freut sich.
Bei vielen parallel laufenden Baustellen müssen diese in ihren Abläufen optimal aufeinander abgestimmt werden. Das betrifft nicht nur die verfügbaren Mitarbeiter. Sind Material und Geräte nicht just in time verfügbar, so geraten Baustellen ebenso schnell ins Stocken und der Zeitplan außer Kontrolle.
Engpass der Chefzeit
Die parallele Abwicklung zahlreicher Aufträge bedeutet viele gleichzeitig laufende Baustellen. Das stellt den Chef vor eine zeitliche Herausforderung, denn der Tag hat nur eine begrenzte Anzahl an Stunden. Während er früher von Baustelle zu Baustelle fahren konnte, um sich einen Überblick zu verschaffen, Anweisungen zu erteilen und Probleme auszubügeln, reicht dafür die Zeit heutzutage meist nicht mehr aus. Ohne Hilfsmittel schafft er es nicht, alle Baustellen im Blick zu haben, diese zu steuern, Probleme frühzeitig zu erkennen und einzugreifen. Für eine erfolgreiche Auftragsabwicklung ist bei einer Vielzahl parallel laufender Baustellen ein formalisiertes Controllingsystem unerlässlich. Nur so schafft es der Chef mit weniger Zeit den gleichen, wenn nicht sogar einen besseren Überblick zu bekommen.
Finanzielle Engpässe
Während die Baustellen laufen wird der Fokus in vielen Betrieben primär auf die Leistungserbringung gelegt und leider nicht auf die damit verknüpfte finanzielle Seite. Mit der Leistungserbringung sind aber Materiallieferungen und Materialzahlungen sowie Mitarbeiterzeiten und Lohnzahlungen verknüpft. Daher ist es unter Liquiditätsgesichtspunkten nur konsequent projektbegleitend abzurechnen. Solche Teilabrechnungen schützen vor Liquiditätsengpässen. Genauso konsequent müssen aber auch Schlussrechnungen gestellt werden. Denn wer die Schlussrechnung Wochen, Monate oder gar Jahre liegen lässt, riskiert schnell einen Liquiditätsengpass. Zügige Abrechnungen sind Teil eines professionellen Liquiditätsmanagements. Für einen kontinuierlichen Überblick über die betriebliche Finanzkraft reicht der Blick auf den aktuellen Kontostand nicht aus. Ein Liquiditätsplan gibt Auskunft über den Stand der Finanzen und mit einer 90-Tages-Vorausschau erhält der Handwerksbetrieb zudem eine gewisse Planungssicherheit. So lassen sich Liquiditätsengpässe vermeiden.
Die Digitalisierung nimmt den Betrieben viele dieser betriebswirtschaftlichen Denkleistungen ab. Was früher mühsam per Hand geplant und berechnet werden musste, erledigen heute intelligente Softwaresysteme. Solche Management-Tools unterstützen den Maler- und Stuckateurunternehmer bei seinen Steuerungs- und Kontrollaufgaben – letztlich in der betriebswirtschaftlichen Führung seines Betriebs. Was früher in vielen Betrieben oft zu kurz kam, wird durch die Digitalisierung integrativer Bestandteil der Unternehmensführung. Der Malerbetrieb 4.0 nutzt diese Unterstützungsmöglichkeiten.