Nach dem Mindestlohngesetz müssen Branchen, die besonders anfällig sind für Schwarzarbeit, für alle Arbeitnehmer Arbeitszeiten erfassen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann hiervon jedoch per Verordnung Ausnahmen zulassen. Von ihrem ursprünglichen Plan, nur für angestellte Führungskräfte mit einem Bruttomonatsgehalt von mehr als 4.500 Euro die Dokumentationspflicht entfallen zu lassen, sind Bundeskanzleramt und BMAS nach heftiger Kritik der Wirtschaftsverbände in dieser Woche abgerückt. Doch von einem Erfolg für das Baugewerbe kann bei weitem keine Rede sein. „Ein Schlag ins Gesicht des Bauhandwerks“, so bezeichnete der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Karl-Heinz Schneider, die Verordnung, die am Mittwoch das Kabinett passierte.
Aufzeichnungspflicht ja oder nein – „krummer“ Schwellenwert entscheidet
Die Verordnung, die zum 01. Januar 2015 in Kraft treten wird, sieht nunmehr einen Schwellenwert von 2.958 Euro pro Monat vor. Für Angestellte im Baugewerbe, die mehr verdienen, müssen keine Arbeitszeiten dokumentiert werden. Keine Rolle spielt mehr, ob es sich dabei um eine angestellte Führungskraft handelt oder nicht. Für Maler- und Stuckateurbetriebe heißt das konkret: Für Angestellte mit einem Monatseinkommen bis zu 2.958 Euro sind Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit zu dokumentieren und mindestens zwei Jahre lang aufzubewahren.
Der „krumme“ Schwellenwert beruht auf folgender Berechnung: 12 Stunden täglich an 29 Tagen ( = 348 Stunden) zu 8,50 Euro die Stunde. Das Bundesarbeitsministerium teilte auf Nachfrage von Malerblog.net mit, der Betrag entspreche dem, was ein Arbeitnehmer unter Zugrundelegung der arbeitszeitschutzrechtlich maximal zulässigen Arbeitszeit im Monat bei einer Entlohnung mit dem Mindestlohnstundensatz von 8,50 € monatlich zu erhalten habe. Damit sei gewährleistet, daß der Mindestlohn auch bei einem sehr hohen monatlichen Arbeitsvolumen nicht unterlaufen werden könne.
Verstöße können teuer werden
Verstöße gegen diese Dokumentationspflicht können mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Und wer den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro belegt werden. Das “Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt” ist zudem nach §266a des Strafgesetzbuches eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann.
Zuständige Kontrollbehörde ist – wie auch bei den Branchenmindestlöhnen – die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung. Um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns wirksam überwachen zu können, werden laut Bundesarbeitsministerium im Laufe der kommenden Jahre bei der FKS 1.600 neue Stellen geschaffen.
Stimmen aus Politik und Wirtschaft
Die neuen Pflichten zur Arbeitszeitdokumentation für geringfügig Beschäftigte (Minijobber, kurzfristig Beschäftigte) sowie für Angestellte bis zu einem Monatseinkommen von 2.958 Euro stellen viele Maler- und Stuckateurbetriebe vor große, bürokratische Herausforderungen. Zu dieser für das Baugewerbe neuen Aufzeichnungspflicht hat Malerblog.net Stimmen aus Politik und Wirtschaft eingefangen:
„Der Mindestlohn war gut gemeint und endet jetzt im bürokratischen Chaos. Die derzeit vorgesehenen Kontrollregelungen sind das schlimmste Bürokratiemonstrum, das von einer Bundesregierung seit vielen Jahren produziert wurde. Es führt dazu, dass künftig nicht nur Millionen von Betrieben, sondern auch Privathaushalte und Vereine von Rollkommandos des Zolls mit Kontrollen überzogen und evtl. kriminalisiert werden. Unzählige Betriebe, gerade auch Familienbetriebe, werden unter den Generalverdacht der Lohnschinderei gestellt. Die Bundesregierung redet von Entbürokratisierung und tut hier das krasse Gegenteil. Zig Millionen Minijobs werden dadurch in die Illegalität und schließlich wieder in die Schwarzarbeit hineingetrieben. Die Kontrollverordnung mit ihrer Grenze von 2.958 € ist eine herbe Enttäuschung. Die Bundesregierung muss im neuen Jahr schnellstmöglich nachbessern.“ | |
„Die Politik hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für das Gemeinwesen zu definieren. Dies sollte nicht nur durch eine ständig ausufernde Bürokratie spürbar werden. Es ist nicht die Einführung des Mindestlohnes, der Probleme bereitet, sondern die praxisfremden Dokumentationspflichten. Ein weiterer Schritt im Zuge der wachsenden Entmündigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Vertrauen und Miteinander statt Papierflut und Misstrauen. Über Jahrhunderte ist man in familiären Betrieben damit gut gefahren. Es kann nicht sein, dass wir und unsere Betriebe mit Kosten und Arbeiten belastet werden, deren Ursache wo anders liegen. Der vorliegende Verordnungsentwurf ist weder ein Meisterstück, noch taugt es zum Gesellenstück.“ | |
„Keiner unserer Angestellten arbeitet 348 Stunden im Monat. Es ist absurd, eine solche Stundenzahl zugrundezulegen, um darauf zukünftige Mindestlohnkontrollen aufzubauen. Wenn man schon den extrem denkbarsten Fall illegaler und gesetzeswidriger Arbeitszeiten zum Maßstab nehmen will, wäre es ehrlicher gewesen, die Verdienstgrenze, von der an eine Aufzeichnung der Arbeitszeit nicht mehr erforderlich ist, bei einer Arbeitszeit von 24 Stunden täglich und 31 Kalendertagen im Monat anzusetzen; das sind 6.324,00 Euro. Mehr geht nicht; dann wäre die Bundesarbeitsministerin wirklich auf der sicheren Seite. Selbst bei einer 60-Stunden-Woche wäre der gesetzliche Mindestlohn auch bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.210,00 Euro noch eingehalten. Eine Orientierung an solchen sachlich begründbaren Zahlen ist aber offenbar in dieser Großen Koalition nicht möglich, sie ist nachweislich beratungsresistent.“ |
Mindestlohn-Hotline
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Mindestlohn-Hotline geschaltet. Die Hotline ist von Montag bis Donnerstag von 8 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 030 / 60 28 00 28 erreichbar.
Aktuelle Umfrage von Malerblog.net
Wie ist die Stimmung in den Betrieben des Maler- und Stuckteurhandwerks zur neuen Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten für Büropersonal und Minijobbern? Sehen die Betriebsinhaber überhaupt ein Mindestlohn-Problem im Büro, das eine solche Zeiterfassung rechtfertigt? Offenbar hat die Bundesregierung hier keine belastbaren Erfahrungen. Deshalb hat Malerblog.net eine aktuelle Umfrage gestartet. Sie finden diese rechts oben auf der Seite. Machen Sie mit!
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