Ein Maler- und Stuckateurbetrieb ist täglich auf den Einsatz von Leitern angewiesen. Ein Arbeiten ohne Leitern ist in einem Maler- und Stuckateurbetrieb schwer vorstellbar. Sowohl Stufen- als auch Sprossenleitern sind auf Baustellen allgegenwärtig. Doch das Arbeiten in der Höhe mit Leitern und Gerüsten birgt Gefahren. Es kommt zu Absturzunfällen. Mehr als die Hälfte aller Absturzunfälle in der Bauwirtschaft und bei baunahen Dienstleistungen erfolgen von Leitern und Gerüsten. Seit kurzem gelten neue Technischen Regeln (TRBS 2121-2), die beim Leitereinsatz für eine Erhöhung der Arbeitssicherheit sorgen sollen. Die TRBS 2121-2 stellen konkrete Anforderungen, um Abstürzen entgegen zu wirken. Doch diese neuen Anforderungen werfen in der Praxis Fragen auf und sorgen für Unsicherheit. Ist der Einsatz von Sprossenleitern nach der TRBS 2121-2 überhaupt noch zulässig? Und welche Rolle spielt die TRBS 2121-2 bei der Entscheidung über Leitereinsatz und Leiterform? Malerblog.net hat nachgefragt bei Norbert Furche, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Leitern- und Fahrgerüstehersteller e.V. (VDL).
Herr Furche, nicht jedem Malerunternehmer sind die neuen „Technischen Regeln zur Betriebssicherheit – Gefährdung von Beschäftigten bei der Verwendung von Leitern“ (TRBS 2121-2) schon bekannt. Seit wann gilt diese Regelung und welche rechtliche Bindungswirkung entfaltet sie für Handwerksbetriebe?
Die TRBS 2121-2 gilt seit Dezember letzten Jahres und ist sicher dem größten Teil der Anwender bis dato unbekannt. Die Rechtsgrundlage für die Bereitstellung und Benutzung von Leitern ist die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Diese wird durch die TRBS 2121-2 nur weiter konkretisiert. In der BetrSichV finden sich übrigens keine konkreten Hinweise, dass Sprossenleitern als Arbeitsplatz prinzipiell nicht erlaubt wären.
Die TRBS 2121-2 löst als Technische Regel nur eine sog. „Vermutungswirkung“ aus. Das bedeutet lediglich, dass man sich bei ihrer Anwendung auf der sicheren Seite befindet. Wendet man sie nur in abgewandelter Form (also zum Beispiel weiterer Einsatz von Sprossen- statt Stufenleitern) an, benötigt man dazu eine Gefährdungsbeurteilung, die den konkreten Einsatz am Arbeitsplatz als „sicherer“ ausweist.
Nach der TRBS 2121-2 dürfen tragbare Leitern nur noch Verwendung finden, wenn „der Beschäftigte mit beiden Füßen auf einer Stufe oder Plattform steht und der Standplatz nicht höher als 5m über der Aufstellfläche liegt. In besonders begründeten Ausnahmefällen (z. B. Arbeiten in engen Schächten oder bei der Ernte im Obstbau) ist ein Arbeiten auf tragbaren Leitern mit Sprossen zulässig.“ Herr Furche, das klingt wie „Stufe statt Sprosse“. Dürfen Sprossenleitern wie zum Beispiel die im Malerhandwerk gerne verwendete, klassische Bockleiter jetzt überhaupt noch zum Einsatz kommen?
Sprossenleitern sind als Zugang zu hochgelegenen Stellen, also als „Verkehrsweg“, auch weiterhin uneingeschränkt zulässig, wenn der Höhenunterschied nicht mehr als 5 m beträgt, in Ausnahmefällen auch mehr als 5 m.
Die von Ihnen zitierte Formulierung ist so richtig, wenngleich das natürlich zu plakativ ist. Die Umstellung auf Stufen bei Leitern wird ausschließlich ergonomisch begründet. Deshalb wäre es ein ergonomisch besserer Ansatz, Sprossen breiter als 20 mm (ist Mindestnorm für Sprossen im Euronormbereich) zu gestalten. Die von uns ins Spiel gebrachte sog. „Breitsprossenleiter“ wurde speziell von der BG Bau jedoch nicht akzeptiert, obwohl solche Leitern mit Sprossenbreiten bis 40/50 mm schon lange auf dem Markt sind. Im nationalen Normungsausschuss NA 042 ist für den Bereich der DIN 4567 (Leitern für den besonderen beruflichen Gebrauch) letzten Monat über eine „Glasreinigerstufe“ mit 45 mm Breite abgestimmt worden als Ausnahme für den Berufszweig der Glasreiniger.
Im Übrigen gibt es seit langer Zeit auf dem Markt sog. „Einhängeplattformen“ als Zubehörteil, die in Sprossenleitern eingehängt werden können und damit die TRBS 2121-2 erfüllen. Zudem gibt es neue Entwicklungen mit einklickbaren Stufen in 80 mm Breite. Die bisherigen im Gebrauch befindlichen Bockleitern sind sicher problematisch – hier könnte allenfalls eine passende Gefährdungsbeurteilung weiterhelfen (mit allem Vorbehalt).
Die Regelung dient dem Zweck, die Zahl der Absturzunfälle zu verringern. Sehen Sie als Leiter-Experte bei der Verwendung und im Umgang mit Leitern weitere Gefahrenquellen? Worauf ist Ihrer Meinung nach besonders zu achten?
Als Hauptunfallursache beim Einsatz von Leitern ist anerkanntermaßen menschliches Fehlverhalten anzusehen, teilweise auch der Einsatz von fehlerhaften Leitern durch die Anwender (zusammen über 95 % der Fälle). Wer sich also zum Beispiel zu weit hinauslehnt, weil er die Leiter nicht versetzen will, fällt unweigerlich sowieso von der Leiter, unabhängig davon, ob er auf einer Sprosse, Stufe oder Plattform steht. Deshalb erwarten wir als Leiterhersteller keine nachhaltige Verringerung der Absturzunfälle durch die Umstellung von Sprosse auf Stufe, zumal sich das Gewicht der Leitern mit Stufenausstattung – je nach Leitertyp – um bis zu 50 % erhöhen kann, was aus ergonomischer Sicht nicht sehr sinnvoll erscheint. Die TRBS 2121-2 mit ihrem Bezug auf Stufen gilt übrigens nur in Deutschland, während im übrigen Europa nach den geltenden EN-Normen Sprossenleitern als Arbeitsplatz weiter zulässig sind.
Vielen Dank, Herr Furche.
Hinweis:
Informieren Sie sich über die neue TRBS 2121-2. Die neuen Technischen Regeln können unter folgendem Link von den Seiten der BauA abgerufen werden: https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBS/TRBS-2121-Teil-2.html