Mit mehr als 6.000 Betriebsärzten ist die Wirtschaft Anfang Juni in die laufende Impfkampagne eingestiegen. Und das nicht ganz ohne Eigeninteresse, denn Krankheits- sowie Quarantänezeiten von Beschäftigten schränken den Arbeitsalltag stark ein und lassen die Produktivität sinken.
Niedrige Inzidenzwerte wähnen uns derzeit in Sicherheit, doch die neue Delta-Variante breitet sich rasant aus. In Großbritannien gehen bereits mehr als 90 Prozent der Neuinfektionen auf die Delta-Mutation zurück. In Hessen ist bereits jeder fünfte Corona-Fall ein Delta-Fall. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC rechnet damit, dass bis Ende August die Delta-Variante für 90 Prozent der Corona-Neuinfektionen in der EU verantwortlich sein wird. Die Delta-Mutante macht also nicht nur von sich reden. Sie hängt bereits wie ein Damoklesschwert über uns.
Impfmüdigkeit wäre fatal
Die effektivste Maßnahme in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ist und bleibt nach wie vor die Impfung. Lediglich das schnelle Erreichen der Herdenimmunität kann diese schier endlose Spirale, die bei jeder neuen, als besorgniserregend eingestuften Virus-Mutante zu drohen scheint, durchbrechen. In Deutschland haben aber erst gut ein Drittel der Menschen vollen Impfschutz. Daher ist es wichtig, dass über die Sommermonate keine Impfmüdigkeit aufkommt und sich die Menschen weiter impfen lassen.
Kein Impfzwang durch Arbeitgeber
Jeder Unternehmer hat ein Interesse an einer zügigen Impfung seiner Beschäftigten. Doch wer jetzt denkt, als Arbeitgeber eine Impfung anordnen zu können, geht fehl. Eine Impfung ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, da sie einen Eingriff in den Körper und damit in die vom Grundgesetz geschützte körperliche Unversehrtheit darstellt. Daher kann die Entscheidung für oder gegen eine Impfung nur individuell getroffen werden und bedarf der Einwilligung des Geimpften. Nur in absoluten Ausnahmefällen oder Notlagen darf seitens des Staates eine Impfpflicht ausgesprochen werden. Näheres regelt das Infektionsschutzgesetz. Dennoch gibt es für Arbeitgeber Möglichkeiten, Beschäftigte zur Impfung zu motivieren.
Impfangebot machen
Jeder Maler- und Stuckateurbetrieb wird betriebsärztlich betreut. Da Betriebsärzte mittlerweile in die Impfkampagne eingebunden sind, sollte sich der Chef um einen zeitnahen Impftermin für seine Belegschaft bemühen. So kann jeder Maler- und Stuckateurunternehmer seinen Mitarbeitern über den Betriebsarzt ein persönliches Impfangebot organisieren und unterbreiten. Die Impfwilligen unter den Mitarbeitern, die bislang über staatliche Impfzentren oder Hausärzte noch nicht zum Zug gekommen sind, dürften dies mehr als schätzen. Die anderen noch Impfunwilligen oder schlicht Unentschlossenen werden oft durch ihre Kollegen mitgerissen und es entsteht eine Art Gruppendynamik.
Von der Arbeitszeit freistellen
Dass das Unternehmen hinter der Impfentscheidung des Mitarbeiters steht und diese begrüßt, darf sich ruhig herumsprechen. Hat ein Mitarbeiter seinen Impftermin während der Arbeitszeit, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass er für diese Zeit freigestellt wird, und zwar unabhängig davon, wo die Impfung erfolgt, ob beim Betriebsarzt, beim Haus- oder Facharzt oder im staatlichen Impfzentrum. Ein deutliches Zeichen setzt der Maler- und Stuckateurunternehmer zudem, wenn diese Freistellung unter Fortzahlung des Lohns erfolgt. Immerhin ist die Impfung eine Win-Win-Situation für beide, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und das sollte honoriert werden.
Impfprämie und Impfbonus
Apropos Honorierung. Impfprämien stehen Medienberichten zufolge in den USA hoch im Kurs, um Beschäftigte zur Impfung zu „motivieren“. Ob sich in Deutschland mit Donuts, Freibier oder einem Euro-Schein Mitarbeiter, die bislang unentschlossen oder gar impfunwillig waren, zu einer Impfung motivieren lassen, erscheint eher zweifelhaft. Überzeugung und Vertrauen lassen sich nicht kaufen. Ein Impfbonus ist wohl eher als eine „Belohnung“ für ohnehin Impfwillige zu sehen und dürfte daher schlicht als Mitnahmeeffekt zu bewerten sein.
Mit dem deutschen Arbeitsrecht erscheint die Zahlung solcher Impfboni allerdings auch in Deutschland grundsätzlich vereinbar wie aus Veröffentlichungen namhafter Rechtsexperten hervorgeht. Da der Arbeitgeber aber auch hier den Gleichheitsgrundsatz beherzigen muss, sollte die Ausschüttung von Impfprämien konzeptionell vorbereitet werden. Zumal unabhängig von der rechtlichen Fragestellung, durch das Ausloben einer Impfprämie auch das Betriebsklima leiden kann, bedenkt man, dass es Mitarbeiter geben wird, die sich aus gesundheitlichen Gründen keine Impfung geben lassen können. Vor der Auslobung von Impfprämien empfiehlt es sich, Rat bei einem Rechtsanwalt zu suchen, um eine ausgewogene und gerechte Lösung für alle Beteiligten zu finden.
Dem Arbeitgeber bieten sich einige Möglichkeiten, um seine Beschäftigten von der Erforderlichkeit einer Impfung zu überzeugen. Nicht zuletzt dient eine Impfung auch dem persönlichen Arbeitsplatzerhalt. Nur eine hohe Durchimpfung der Bevölkerung wird die Wirtschaft vor weiteren Lockdowns schützen und auf absehbare Zeit wieder ein normales Arbeits- und Alltagsleben ermöglichen. Ansonsten wird uns die Delta-Mutante und alle folgenden, als besorgniserregend eingestuften Virus-Varianten immer wieder in eine Spiralbewegung führen.