Seit einigen Wochen und Monaten zeichnet sich eine dramatische Situation im Handwerk ab. Zum einen bereitet eine enorme Preisexplosion vielen Betrieben Kopfzerbrechen. Materialien und Rohstoffe sind in einigen Bereichen extrem teuer geworden. Der Bundesverband Farbe spricht von Preiserhöhungen um bis zu 50 Prozent, zum Beispiel bei Wärmedämmung und Trockenbauprofilen. Zum anderen kommt es in einigen Bereichen zu echten Lieferengpässen und zeitlichen Verzögerungen.
An diesen Tatsachen hängt eine Menge. Nicht nur, dass Termine nicht fristgerecht eingehalten werden können. Auch Aufträge können nicht zu dem Preis ausgeführt werden, zu dem sie vereinbart wurden. Während die Auftragsbücher der Maler- und Stuckateurbetriebe also voll sind, können manche aufgrund von fehlendem Material nicht weiter arbeiten. Eine schwierige Situation stellt sich für viele Unternehmer dar, mit der sie umgehen müssen.
Malerblog.net sprach zu diesem aktuellen Thema mit Rechtsanwalt Dr. Marvin Lederer aus der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf.

Die unerwartet starken Preiserhöhungen stellen viele Handwerksbetriebe derzeit vor immense Probleme. Sie waren für die Betriebe unvorhersehbar. In den nächsten Wochen und Monaten kommen daher noch viele Aufträge zur Ausführung, die vom Betrieb zu „alten“ Preisen kalkuliert wurden. Kann der Handwerksbetrieb die Preiserhöhung jetzt einfach so an seine Kunden weitergeben? Was ist ihm zu empfehlen?
Es wird darauf ankommen, ob die Preissteigerungen tatsächlich unerwartet waren. Das muss nicht in jedem Fall so sein. Spürbare Preissteigerungen sind keineswegs ungewöhnlich und kamen bereits vor der Corona-Pandemie zum Teil vor. Der Handwerker trägt das Risiko der Leistung, das heißt, dass er grundsätzlich auch das Risiko von Leistungserschwernissen und von Preissteigerungen trägt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie bereits seit über einem Jahr bekannt sind. Der Handwerker muss vorausschauend planen, bestellen und muss grundsätzlich Preissteigerungen bis zu einem erheblichen Umfang als Teil seines Leistungsrisikos hinnehmen. Das gilt allerdings nur, wenn der im Einzelfall abgeschlossene Vertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht.
Es wird erwartet, dass es in den nächsten Monaten zu weiteren Preissteigerungen kommen wird. Welche Möglichkeiten hat der Handwerksbetrieb, um bei aktuellen Auftragsabschlüssen das Risiko weiterer, unerwarteter Preiserhöhungen abzufangen?
Bei neuen Vertragsabschlüssen hat der Handwerker insbesondere durch Preisgleitklauseln die Möglichkeit das Risiko von Preissteigerungen auf den Auftraggeber abzuwälzen oder wenigstens mit ihm zu teilen. Preisgleitklauseln sind in der Baubranche bereits seit Jahrzehnten bekannt, werden aber nicht immer wirksam vereinbart. Sie sollten deshalb stets auf den Einzelfall angepasst und mit dem Auftraggeber ausgehandelt werden. Es schadet dabei keinesfalls, dass ein Anwalt die eigenen AGB oder den Vertragsentwurf prüft. Ansonsten kann die Enttäuschung groß sein, dass eine Preisgleitklausel in eigenen AGB unwirksam ist oder nicht den bestmöglichen Effekt zeigt.
Auch die Versorgungslage ist derzeit sehr angespannt. Aufgrund verschiedenster Ursachen kommt es zu Ausfällen in der Lieferindustrie oder zu Lieferverzögerungen, sodass die Beschaffungssituation auch für Großhändler aktuell sehr schwierig ist. Materialengpässe könnten zu unfreiwilligen Baustopps führen. Diese Lieferschwierigkeiten hat der Handwerksbetrieb nicht zu vertreten. Muss er dennoch für die Folgen bei seinem Kunden geradestehen? Wie kann er sich schützen?
Auch hier muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob ein Baustopp wirklich unausweichlich ist. Das ist dann nicht der Fall, sollte der Handwerker die benötigten Materialien bei anderen Zulieferbetrieben – sei es auch für einen höheren Preis – bekommen. Sollte der Handwerker die benötigten Materialien tatsächlich bei keinem Zulieferbetrieb bekommen, muss er hierfür gegenüber seinem Auftraggeber auch nicht geradestehen. Er wird von seiner Leistungspflicht frei, muss allerdings alles ihm Mögliche unternehmen, um die benötigten Materialen schnellstmöglich zu beschaffen. Ein Baustopp ist auch dann nicht unausweichlich, wenn der Auftraggeber andere – eigentlich erst zu einem späteren Zeitpunkt – geplante Leistungen ausführen kann.
Herr Dr. Lederer, vielen Dank für das Gespräch!