Wer mit Menschen zu tun hat, der kommt irgendwann an den Punkt, wo etwas aus dem Ruder läuft. Ein anderer hält sich nicht an die Regeln. Er macht es anders als es besprochen war. Oder einfach anders als es üblich ist. Das ist so unter Menschen. Fehler sind normal und Fehlverhalten auch. Weil aber in einem Malerbetrieb alle in die gleiche Richtung laufen müssen, liegt es nun am Chef, den Mitarbeitern zu sagen, was falsch gelaufen ist. Modern formuliert nennt man das „Feedback“ oder schlicht und einfach Kritik. Kritik ist immer irgendwann notwendig, damit Fehler nur einmal und nicht dauerhaft vorkommen. Kritik bringt den Betrieb voran – wenn Sie richtig vermittelt wird.
Kritik ist unbeliebt
Die meisten Menschen lassen sich nicht gerne kritisieren. Und zwar unabhängig davon, ob die Kritik berechtigt oder unberechtigt ist. Kritik erträgt keiner gerne. Kritik greift immer das Selbstwertgefühl an: „Sie haben etwas falsch gemacht!“ Dieser einfache Satz löst eine Menge aus. Wer etwas falsch macht, der kann es nicht richtig. Der hat sich gegen die Regeln verhalten. Der steht außerhalb derer, die es richtig machen. Wer etwas falsch macht, der schadet den anderen. Dahinter steht Jahrtausende altes in unserem Gehirn verankertes Gruppendenken. Man will dazugehören, Teil der Gruppe sein. Wer aber etwas Falsch macht, der steht außerhalb der Gruppe. Ohne ihn explizit auszusprechen kennt jeder Mensch diesen Zusammenhang. Deshalb haben viele Menschen genauso große Probleme damit andere Menschen zu kritisieren, wie selbst kritisiert zu werden. Denn unterbewusst wissen wir alle, dass derjenige, der kritisiert, sich unbeliebt macht.
Das Problem der indirekten Kritik
In der betrieblichen Praxis führt das dann gerne dazu, dass eine Führungskraft direkte Kritik durch indirekte Kritik ersetzt. Nicht derjenige, den es angeht, wird kritisiert. Sondern es wird über ihn hinweg kritisiert. Machen wir uns das an einem Beispiel klar, was so oder ähnlich in vielen Betrieben sicher schon einmal vorgekommen ist:
Stellen wir uns vor in einem Malerbetrieb beginnt die Arbeitszeit regelmäßig um 7.00 Uhr. Das ist die allgemeine Regel. Und alle halten sich daran. Alle – außer einem Mitarbeiter, nennen wir ihn Kurt. Kurt kommt immer mal wieder erst im 7.17 Uhr. Seine Kollegen haben dann das Fahrzeug schon eingeräumt. Er hat nicht geholfen, denn er war ja zu spät. Manchmal mussten die Kollegen sogar auf Kurt warten. Das erzeugt natürlich Unmut. Der Chef sagt lange nichts. Er denkt sich, dass das die Mitarbeiter untereinander ausmachen sollen. Die haben ja auch keine Lust immer auf den Kurt zu warten. Irgendwann ist Kurt dann wieder einmal zu spät dran. Um zehn nach sieben sagt der Chef zu den Kollegen: „Was steht Ihr denn noch hier? Hat der Kurt mal wieder verpennt? Kein Wunder, dass Ihr nie die Termine schafft.“ Dann steigt er in sein Auto und fährt zu einem Kundentermin. Gerade hat dieser Chef viel falsch gemacht.
Zielgerichtete direkte Kritik
Natürlich hat er sich über Kurt geärgert. Und das auch zu recht. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter wiederholt zu spät im Betrieb erscheint. Dadurch entsteht Unmut bei den Kollegen, die ja auf Kurt warten müssen. Es verstreicht ungenutzt teure Arbeitszeit. Der Arbeitsablauf wird gestört. Da ist es verständlich, dass der Chef sich ärgert. Und diesen Ärger muss er auch nicht in sich hineinfressen. Der darf ruhig ausgesprochen werden. Ein offenes Wort ist immer gut. Aber dieses offene Wort muss an Kurt adressiert sein und nicht an die Kollegen. Kurt hält sich nicht an die Regeln. Also muss Kurt genau das gesagt bekommen. Das nennt man direkte Kritik.
Was der Chef in unserem Beispiel macht hat damit nichts zu tun. Er tadelt die Kollegen von Kurt in der Hoffnung, dass diese Kurt zurechtweisen werden. Das ist den Kollegen gegenüber ungerecht. Die können nichts für Kurts Verspätung. Deren Aufgabe ist es auch nicht Kurt zu tadeln. Das ist Chefsache. Kritik ist immer direkt auf den gerichtet, den es angeht. Und nur diese direkte Kritik sorgt dafür, dass eine Verhaltensänderung eintritt.
Ein Chef hingegen, der sich nicht traut den richtigen – in unserm Beispiel Kurt – anzusprechen, der wird keine Verhaltensänderung erreichen. Es wird eher so sein, dass die Kollegen sich die Frage stellen: „Warum sagt er das uns und nicht dem, den es angeht? Traut er sich nicht?“. So wird aus einem Chef eine schwache Führungskraft und die Chance, dass es in Zukunft besser läuft, ist vertan.
„Ein erfolgreicher Chef gibt seinen Mitarbeitern Verhaltensregeln an die Hand. Hält sich ein Mitarbeiter nicht an die Regeln, redet er nicht über ihn, sondern mit ihm.“ |