Seit 1. Oktober 2016 gelten in Deutschland Dämmstoffe, die mehr als 0,1 Prozent HBCD enthalten, als „gefährlicher Abfall“ und müssen als Sondermüll entsorgt werden. Obwohl der Stichtag bereits seit Frühjahr bekannt ist, gestaltet sich die praktische Umsetzung dieser Neubewertung von HBCD-haltigen Styropor-Abfällen problematisch. Die Folge: Entsorger verweigern die Annahme, Bauherrn sowie Handwerker bleiben auf ihrem Styropor sitzen. Verbände laufen seit Wochen gegen diesen unhaltbaren Zustand Sturm. Malerblog.net berichtete darüber bereits ausführlich.
Entsorgung von Baugemischen in Hessen und Baden-Württemberg möglich
Jetzt scheint langsam Bewegung in die Sache zu kommen. Durch die Neubewertung als Sondermüll müssen Handwerker an der Baustelle Styropor-Dämmstoffe mühsam von dem übrigen Bauschutt trennen, um ihn anschließend als Sondermüll entsorgen lassen zu können. Für solche Baumischabfälle haben jetzt Baden-Württemberg und Hessen bis auf weiteres die Entsorgung per Erlass vereinfacht. Abweichend vom Grundsatz des Kreislaufwirtschaftsgesetzes müssen in diesen Bundesländern bis auf weiteres HBCD-haltige Dämmplatten nicht an der Baustelle getrennt werden. Das ermöglicht es, HBCD-haltiges Dämmmaterial gemeinsam mit den übrigen Bauabfällen wie bisher in Hausmüllverbrennungsanlagen zu entsorgen, wenn sich in dem Bauschutt nicht mehr als 0,5 Kubikmeter HBCD-haltiges Dämmmaterial pro Tonne Gesamtgewicht befindet. Beide Länder verweisen darauf, dass es sich in einem solchen Fall nämlich nicht um „gefährlichen Abfall“ handele, da aufgrund des relativ geringen Gewichts der Dämmplatten der Gewichtsanteil des HBCD weniger als 0,1 Prozent betrage.
Deutschlandkarte veranschaulicht Länder-Aktivitäten
Wie aktiv die einzelnen Bundesländer die Problemstellung angehen, zeigt sich in der HBCD-Landkarte des BDE, dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft e.V. Sie markiert farblich den aktuellen Lösungsfortschritt der Länder nach Auffassung des BDE. In dieser Karte sind zudem die dem BDE bekannten Hausmüllverbrennungsanlagen und Sonderabfallverbrennungsanlagen aufgeführt, die HBCD-haltiges Styropor annehmen. Entsprechend der Aktivitäten der Länder wird die Karte jeweils aktualisiert. Die Vielfarbigkeit zeigt, dass einiges in Bewegung ist. Dies dürfte die betroffenen Handwerker und Bauherrn aufatmen lassen.
16 Bundesländer, 16 Regelungen? BDE warnt vor Flickenteppich
BDE-Präsident Peter Kurth freut sich über die positive Entwicklung in den Ländern und sagt: “Erfreulicherweise sehen wir nach den intensiven Protesten der letzten Zeit viel Bewegung bei den Bundesländern. Viele Landesregierungen machen sich daran, Lösungen zu entwickeln.“ Doch Kurth sieht auch die Gefahren, die in länder-individuellen Lösungen stecken. „Wir begrüßen es, dass die Länder tätig werden. Allerdings sollte daraus auf keinen Fall ein gesetzgeberischer Flickenteppich entstehen. 16 unterschiedliche Regelungen würden einen erheblichen Bürokratie- und Logistikaufwand bedeuten“, mahnt Kuhrt und plädiert für eine bundeseinheitliche Regelung und die Rücknahme der Einstufung HBCD-haltiger Abfälle als Sondermüll. Das Bundesumweltministerium signalisierte bereits, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu unterstützen. Den richtigen Lösungsweg aus der Misere zu finden, obliegt aber den Ländern.
Ein Blick in Nachbarländer: Kein Sondermüll in Österreich und Schweiz
Europarechtlich besteht keine Pflicht zur Deklaration von HBCD-belastetem Styropor als Sondermüll. In Österreich, unserem Nachbarland und EU-Partner, werden HBCD-haltige Styropor-Abfälle – wie auch in Deutschland bis 30. September 2016 – in Hausmüllverbrennungsanlagen mitverbrannt. Wie das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf Nachfrage von Malerblog.net mitteilte, gilt in Österreich für HBCD der allgemeine Chemikaliengrenzwert von 3 Prozent für reproduktionstoxische Stoffe der Kat. 2, der in Styropordämmplatten aber stets unterschritten werde. Und auch in der Schweiz, zwar kein EU-Land, aber Nachbarland, besteht laut dem Schweizer Bundesamt für Umwelt keine Klassifizierung als Sonderabfall.