Die Bundesregierung hat Nägel mit Köpfen gemacht. Am 20. Januar 2021 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) dem Bundeskabinett zur Kenntnis vorgelegt, am Mittwoch, dem 27. Januar 2021 wird sie voraussichtlich in Kraft treten. Sie gilt für alle Betriebe, unabhängig von Branche und Größe, und sorgt derzeit vor allem wegen ihrer Homeoffice-Regelung bundesweit für Schlagzeilen. Daher wird die Ministerverordnung landauf landab auch gerne als „Homeoffice-Verordnung“ bezeichnet.
Was bedeuten die neuen Regeln für den Malerunternehmer? Dass er die Arbeit von der Baustelle nicht ins Homeoffice verlagern kann, ist jedermann klar. Aber was ist mit dem Malerbüro? Muss er sein Büropersonal jetzt ins Homeoffice schicken? Hier macht sich Unsicherheit bei Malerunternehmern breit.
Angebotspflicht beim Homeoffice
Wo immer es betrieblich möglich ist, sollen Arbeitgeber – zunächst befristet bis 15. März 2021 – ihren Mitarbeitern Homeoffice anbieten. §2 Absatz 4 Corona-ArbSchV bestimmt dies wie folgt: „Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“
Der Arbeitgeber ist in der Beweispflicht. Bietet er kein Homeoffice an, muss er auf Verlangen den zuständigen Arbeitsschutzbehörden oder Unfallversicherungsträgern nachweisen, warum dies in seinem Betrieb nicht möglich ist.
Die Machbarkeitsprüfung
Nur wenn „zwingende betriebsbedingte Gründe“ entgegenstehen, darf der Arbeitgeber ein Homeoffice-Angebot unterlassen. Dies zu prüfen, ist Aufgabe des Arbeitgebers. Doch was darunter zu verstehen ist, wird in der Verordnung selbst nicht erläutert.
Das Bundesarbeitsministerium führt dazu auf seinen Internetseiten aus, dass hier vor allem solche Tätigkeiten angesprochen seien, die sich grundsätzlich für die Ausführung im Homeoffice eignen, die aber aus belegbaren und nachvollziehbaren betriebstechnischen Gründen nicht dorthin verlagert werden könnten, insbesondere weil ansonsten der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden könne. Dies umfasse insbesondere mit der Büro(-Tätigkeit) verbundene Nebentätigkeiten. Beispielhaft wird aufgeführt: die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post, die Bearbeitung des Warenein- und Ausgangs, Schalterdienste bei weiterhin erforderlichen Kunden- und Mitarbeiterkontakten, Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben (zum Beispiel IT-Service), Hausmeisterdienste und Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebes sowie unter Umständen auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe.
In der Tat: Büroarbeit ist nicht gleich Büroarbeit. Die Tätigkeit eines Sachbearbeiters in einem Versicherungskonzern oder eines Steuerfachangestellten unterscheidet sich grundlegend von der Tätigkeit im Malerbüro. Im Malerbüro fallen eine Vielzahl an Aufgaben an, die keineswegs nur aus digitalen Kommunikationsvorgängen bestehen. Je kleiner der Betrieb, umso größer ist die Aufgabenvielfalt des einzelnen Büromitarbeiters, sodass (Neben-)Tätigkeiten, die eine Büropräsenz erforderlich machen, in vielen Fällen gegeben sein dürften. Ob und welche konkreten Gründe gegen die Umsetzung einer Homeoffice-Maßnahme sprechen, hat jeder Malerunternehmer für seinen Betrieb zu prüfen.
Technische und organisatorische Gründe und Versäumnisse, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten sollen nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums aber allenfalls befristet bis zur umgehenden Beseitigung des Verhinderungsgrundes geltend gemacht werden können. Diese Ausführungen – wie sie auf den Seiten des Bundesarbeitsministeriums zu lesen sind – irritieren allerdings vor dem Hintergrund, dass die Verordnung doch nur temporär, zunächst nur bis 15. März 2021 geltend soll. Insbesondere die technische und organisatorische Vorbereitung einer Homeoffice-Maßnahme dürfte viele kleine und mittelständische Betriebe (KMUs) vor eine zeitliche und kostenintensive Herausforderung stellen. Hierzu verliert das Bundesarbeitsministerium leider kein Wort.
Umsetzung von Homeoffice
Sind sich Arbeitgeber und Mitarbeiter einig und soll die Homeoffice-Maßnahme zur Umsetzung kommen, ist zur weiteren Vorgehensweise in der Verordnungsbegründung zu lesen: „Für die Umsetzung ist es erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind und dass zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine Vereinbarung bezüglich Homeoffice getroffen wurde, beispielsweise im Wege einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch Betriebsvereinbarung.“ Es ist also nicht einfach damit getan, dem Mitarbeiter ein Laptop in die Hand zu drücken. Über die technischen Anforderungen und Herausforderungen beim Homeoffice wird Malerblog.net in einem Fortsetzungsbeitrag berichten.
Kein Zwang zum Homeoffice
Bietet der Arbeitgeber seinem Büromitarbeiter an, im Homeoffice zu arbeiten, so muss der Mitarbeiter dieses Angebot nicht annehmen. Kein Arbeitnehmer darf zur Heimarbeit gezwungen werden. Der Mitarbeiter hat also immer das Recht auf Präsenzarbeit im Büro. Das heißt aber im Umkehrschluss: Der Arbeitgeber darf kein Homeoffice anordnen. Er darf es nur anbieten.
Kontaktreduzierung im Büro
Kann die Arbeit im Homeoffice nicht erledigt werden oder will der Arbeitnehmer nicht Zuhause arbeiten, dann greifen mit der Verordnung weitere, neu geregelte Schutzmaßnahmen. Wird ein Raum von mehreren Personen gleichzeitig genutzt, müssen nach der neuen Verordnung pro Person 10 qm zur Verfügung stehen (§2 Abs. 5 Corona-ArbSchV). Ist dies nicht möglich oder kann der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden oder ist bei der Tätigkeit mit einem erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen, muss der Arbeitgeber medizinischen Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung stellen (§3 Corona-ArbSchV). Natürlich gelten auch alle bisherigen Corona-Arbeitsschutzregeln wie die AHA plus L – Regeln weiter.
Politischer Ausblick
Schon lange hat Bundesarbeitsminister Heil auf diesen Augenblick gewartet, denn was jetzt mit Blick auf das Infektionsgeschehen seitens der Bund-Länder-Konferenz gebilligt wurde, war schon seit langem ein Herzenswunsch des Bundesarbeitsministers. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Heil für einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice, unabhängig von einer Pandemielage, stark gemacht. Auch wenn die aktuelle Verordnung in Sachen „Homeoffice“ sicher nicht den vom Bundesarbeitsminister gewünschten Durchbruch gebracht hat, dürfte sie aus seiner Perspektive doch ein Anfang sein. Wirtschaftsverbände müssen aufpassen, dass das Recht der freien Unternehmerentscheidung nicht dauerhaft ausgehöhlt wird. Ob und inwieweit ein Betrieb Arbeitsplätze in den häuslichen Bereich verlagert, ist ausschließlich eine betriebsorganisatorische Fragestellung, die nicht in die Hand des Staates gehört. Sie war und ist in der Privatwirtschaft Teil der freien Unternehmerentscheidung und sollte dies auch in Zukunft bleiben.
Die Corona-Arbeitsschutz-Verordnung kann auf den Seiten des BMAS unter folgendem Link als PDF abgerufen werden: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-sars-cov-2-arbeitsschutzverordnung.pdf?__blob=publicationFile&v=4