Seit 1. Oktober 2015 befindet sich der Gesamtverband Dämmstoffindustrie GDI e.V. in Liquidation. Er wird nach fast vier Jahrzehnten aufgelöst. Laut Medienberichten sind Auseinandersetzungen zwischen Herstellern organischer Dämmstoffe einerseits und anorganischer Dämmstoffe andererseits Auslöser für die Verbandsauflösung. Malerblog.net wollte es genau wissen und sprach mit der Geschäftsführerin des sich in Auflösung befindenden Gesamtverbandes, Frau Marianne Tritz, über die aktuelle Situation sowie die Zukunft von Wärmedämmung in Deutschland.
Frau Tritz, auf politischer Ebene war die steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen geplant. Dieses Vorhaben wurde Anfang des Jahres gestoppt. Jetzt, Ende des Jahres 2015, löst sich der Gesamtverband der Dämmstoffindustrie auf. Ist die Dämmung in Deutschland jetzt tot?
Selbstverständlich ist die Dämmung nicht tot. Die Auflösung des Gesamtverbandes Dämmstoffindustrie e.V. hat mehrere Ursachen. Entscheidend waren sicherlich die vermehrten medialen Angriffe der vergangenen Jahre. Diese haben dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit eine starke Verunsicherung bezüglich der Sinnhaftigkeit von Wärmedämmung, aber auch der Frage der energetischen Sanierung entstanden ist. Statt in eine intakte Gebäudehülle zu investieren, die davor schützt, dass kostbare Heizenergie verpufft, warten Hausbesitzer lieber ab. Die jährliche Sanierungsrate von Gebäuden liegt daher derzeit bei circa 0,8 bis 0,5 Prozent. Damit wir das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 erreichen, ist aber eine Rate von mindestens 3 Prozent nötig. Wenn nicht bald ein Umdenken geschieht, steht die Energiewende im Gebäudesektor vor dem Scheitern.
Sicherlich hätte die steuerliche Förderung einen relevanten Anreiz bedeutet, doch leider konnten sich die Bundesländer nicht darauf einigen, wie der Steuerausfall zu kompensieren sei. Dabei gibt es den gar nicht, selbst Bundesumweltministerin Hendricks hat gesagt, dass jeder Fördereuro eine Investition um das 8- bis 10fache auslöst.
Ohne Bundesverband laufen alle Einzelverbände in unterschiedliche Richtungen. Was bedeutet das für Hersteller und Verbraucher?
Die Dämmstoffindustrie sucht den Neuanfang. Wir wissen aus der Erfahrung anderer Verbände, die sich aufgelöst haben: Eine Branche, die nicht mit einer Stimme spricht, wird nicht ernst genommen und marginalisiert sich langfristig. Es sollte allen Beteiligten klar sein, dass es eine einzige starke Stimme der Industrie in Berlin geben muss.
Für Hersteller und Verbraucher bleibt alles beim Alten. Die vier Fachverbände*, die der GDI unter sich versammelt hatte, bleiben ja bestehen und sind weiterhin professioneller Ansprechpartner sowie Garant für Qualität.
* Anm. der Redaktion: Die vier Fachverbände sind der Industrieverband Hartschaum e.V. (IVH), Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e.V. (IVPU), Fachvereinigung Polystyrol-Extruderschaumstoff (FPX) und Fachverband Mineralwolleindustrie e.V. (FMI)
Wo sehen Sie die Zukunft der Dämmung in Deutschland?
Die mediale Angriffswelle ist abgeebbt. Ich bin zuversichtlich, dass wir wieder auf den Boden der bauphysikalischen Tatsachen kommen. Es ist nun einmal so: Ein Haus ohne Wärmedämmung ist in etwa so, als ob man im Winter ohne Jacke nach draußen geht – oder wie es die Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz in einer Aufklärungsbroschüre über Wärmedämmung so schön ausgedrückt hat: Millionen Schafe können nicht irren.
Vielen Dank für das Gespräch.