Wohnungsbau: nach wie vor Stornierungen und sinkende Baugenehmigungen

Wohnungsbau: Baugenehmigungen im Sinkflug

Seit April beobachtet das ifo-Institut eine Stornierungswelle. Diese scheint sich zwar leicht abzuschwächen, aber nicht abzureißen. Noch immer werden im Wohnungsbau viele Projekte gestrichen. Der Anteil der betroffenen Unternehmen lag im Juli 2022 bei 11,5 Prozent, nach 12,3 Prozent im Vormonat. Im Mai hatte der Anteil sogar 15,8 Prozent betragen. Das geht aus Umfragen des ifo-Instituts hervor. „Noch sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Aber die explodierenden Baukosten, höheren Zinsen und schlechteren Fördermöglichkeiten stellen mehr und mehr Projekte in Frage“, sagt ifo-Forscher Felix Leiss und sieht sogleich die Neubauziele der Bundesregierung in weite Ferne gerückt.  

Baugenehmigungen im Sinkflug
Da überrascht die jüngste Meldung des Statistischen Bundesamtes nur wenig, wonach die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnungsbau ebenfalls spürbar zurückgegangen ist. So registrierten die Statistiker im Juni 2022 bei den genehmigten Wohnungen im Neu- und Umbau ein Minus von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum Juni 2021. Für das 1. Halbjahr 2022 wurde hier ein Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (1. Halbjahr 2021) festgestellt.

Richtet man den Blick ausschließlich auf Wohnungs-Neubauten, zeigt sich, dass für das 1. Halbjahr 2022, ebenfalls 2,1 Prozent weniger Baugenehmigungen erteilt wurden als im Vorjahreszeitraum. Ein deutlicher Rückgang wurde bei Einfamilienhäusern verzeichnet. Hier sank die Zahl der Baugenehmigungen um 17 Prozent, wohingegen bei Zweifamilienhäusern die Zahl genehmigter Wohnungen um 1,6 Prozent und bei Mehrfamilienhäusern sogar um 7,8 Prozent stieg.

Staat darf Wohnungsbau nicht im Stich lassen
Der Schwund an Baugenehmigungen löst beim Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, IG Bau-Chef Robert Feiger, Alarmstimmung aus. Er sagt: „Deutschland fehlt die Kraft, aber auch der Mut zum Neubau von Wohnungen. Steigende Preise bei Baustoffen und Bauland, anziehende Bauzinsen, drohende Lieferengpässe bei Baumaterial, dazu die generelle Ungewissheit einer Krise: von einem günstigen Bau-Klima kann seit Monaten keine Rede mehr sein. Der Rückgang bei den Baugenehmigungen überrascht also nicht.“ Wenn der Neubau nicht realisierbar erscheine, biete gerade der Umbau vorhandener Nicht-Wohngebäude zu Wohnungen eine große Chance, so Feiger. Er plädiert daher für eine „Umbau-Offensive“. Umbauen statt neu bauen. Dies braucht laut Feiger auch deutlich weniger Material und sei schon deshalb der passende Weg zu mehr Wohnungen in der Krise. Potenzial dazu sieht er vor allem in Bürogebäuden, die aus seiner Sicht aufgrund der steigenden Homeoffice-Arbeitsplätze nicht mehr gebraucht würden und Platz für bis zu 1,9 Millionen neue Wohnungen böten. Aber auch Dachaufstockungen bei Wohnhäusern, die in der Nachkriegszeit bis zum Ende der 90er-Jahre gebaut wurden, haben nach den Worten Feigers ein „enormes Potenzial“. Rund 1,5 Millionen neue Wohnungen sind seiner Ansicht nach allein hier durch „On-Top-Etagen“ möglich. Feiger verweist darauf, dass solche Umbauten wesentlich kostengünstiger zu realisieren seien als Neubauten. „Wenn der Staat den Wohnungsbau jetzt im Stich lässt, wird es lange dauern, bis er wieder auf die Beine kommt“, prognostiziert Feiger.

Die Bauwirtschaft ist ein Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft. Hier sind die politischen Entscheidungsträger gefragt, die richtigen Weichen zu stellen, um der drohenden Krise im Wohnungsbau noch frühzeitig zu begegnen und diese abzuwenden. Die ersten Ideen liegen auf dem Tisch. Weitere werden sicher folgen. Die Regierung steht in der Verantwortung und muss handeln.  

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