
Sein Bruder attestierte ihm, als er von seinem Vorhaben erfuhr, dass er verrückt sein müsse. In Rumänien könne man nicht arbeiten, schon gar nicht eine eigene Firma haben. Das beeindruckte den Stuckateur und Bautechniker Dietmar Stirner wenig bis gar nicht, als er sich aufmachte, um in seiner alten Heimat Agnetheln in Siebenbürgen etwas Einzigartiges zu schaffen und aufzuziehen.
Der gebürtige Siebenbürger Sachse verließ seine Heimat im Alter von 14 Jahren und siedelte mit seinen Eltern nach Deutschland aus. Dort erlernte er das Stuckateurhandwerk und betreibt im Baden-Württembergischen Wimmental neben seinem Stuckateurbetrieb Art Reno mit Art Color auch einen Baustoffhandel. Qualität auf höchstem Niveau zu bieten, ist für ihn nicht bloß eine Floskel, sondern eine Lebenseinstellung. Und die bringt er jetzt nach Siebenbürgen.
Auf den Pfaden der Kindheit
Ein Besuch in seiner alten Heimat änderte für ihn alles. „Ich war 20 Jahre nicht da, aber jetzt mit dem Alter, ich bin 45 Jahre alt, hat es mich zurückgezogen“, erklärt Stirner. Was er dort vorfindet, macht ihn traurig. Der ehemalige Hof seiner Großeltern ist komplett verfallen, wie leider so viele alte Gebäude in Siebenbürgen. „Es ist schon traurig“, sagt Stirner und erzählt dann weiter: „Keiner kümmert sich um die Häuser, einmal weil niemand weiß, wem sie gehören oder es ist kein Geld da, um etwas zu renovieren. 100 Jahre Geschichte gehen zugrunde.“
Das Alte richten und Neues erschaffen
Er findet heraus, wem der alte Hof jetzt gehört, kauft ihn und ist gerade dabei, ihn mit seinen Renovierungsarbeiten in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Seine Idee in Siebenbürgen das Alte neu herzurichten, es zu erhalten und vor dem Verfall zu bewahren, nimmt immer mehr Gestalt an.

„Es war klar, dass ich den Hof nicht kaufen und umbauen kann, um dann höchstens zwei Mal im Jahr herzukommen. Das wäre zu schade“, meint er. Und so gründet er, genau wie in Deutschland auch, zwei neue Firmen in Siebenbürgen, einen Betrieb für Maler- und Stuckateurarbeiten und einen reinen Baustoffhandel, der genau die Materialien anbietet, die im Malerbetrieb dringend benötigt werden. Gerade Sanierputze gäbe es in Siebenbürgen nicht, weiß der umtriebige Unternehmer zu berichten. Mit seinem Baustoffhandel kann er diese Lücke jedoch schließen.
Mit Qualität überzeugen
Die fachgerechte Instandhaltung und Renovierung sei, so Stirner, in der Regel in Siebenbürgen wie auch dem Rest von Rumänien ein großes Problem. „Es ist einfach unvorstellbar wie schlecht die Arbeiten unter hiesigen Handwerkern ausgeführt werden“, meint er und fügt hinzu: „Das alles hat nichts mit fachgerechten Arbeiten zu tun. Die Leute wissen es einfach nicht besser. Beim Thema Altbau gibt es kein Fachwissen unter den hiesigen Handwerkern. Und genau da kommen wir ins Spiel. Genau da können wir helfen.“ Im Jahr 2022 will er mit einem neuen Schulungszentrum voll durchstarten. Sein Fachwissen ist gefragt. Und das investiert er jetzt eben in seiner alten Heimat. „Unser Motto ist es, eine neue Qualität für Rumänien zu schaffen“, erklärt der Stuckateur. „Daher werden wir Schulungen anbieten, damit die Leute lernen, wie es richtig geht. Wir gehen davon aus, dass wir so Häuser vor deren Verfall retten können.“
Für diese „neue Qualität“ gäbe es in Rumänien durchaus Bedarf, weiß Stirner zu berichten. So entstehe in Rumänien gerade eine neue Mittelschicht. Viele Einheimische würden im Ausland arbeiten, das verdiente Geld aber in die Heimat schicken. Zudem würden immer mehr Ausländer (Franzosen, Engländer Schweizer, etc.) Immobilien kaufen und diese schön herrichten lassen. „Die Leute wollen es schick, da geht es nicht unbedingt um den Preis“, erklärt Stirner. Dennoch ist er sich darüber im Klaren, dass sie mit ihrem Angebot ein Großteil der Menschen ausschließen werden, weil diese es sich einfach nicht leisten können.
Die Herausforderung annehmen
In den kommenden Monaten soll nicht nur der neue Standort fertig renoviert, sondern beide neu entstandenen Firmen auch am Markt platziert werden. Dass dies nicht unbedingt einfach wird, darüber ist sich Stirner durchaus bewusst. Auch Aufträge müssen an Land gezogen und jene Kunden gefunden werden, die es sich eben leisten können. „Ob es angenommen wird, werden wir erst merken, wenn die Leute auch kommen“, meint Stirner und fügt hinzu: „Das ist eben die Herausforderung, ich hoffe es natürlich.“

Doch er ist guter Dinge: „Wir haben hier schon vier bis fünf Fassaden gemacht, natürlich nach dem Standard, den wir auch in Deutschland an den Tag legen. Das bewundern die Menschen hier“, sagt Stirner und sagt weiter: „Zudem arbeiten wir sauber. Wir putzen sogar die Baustelle, was eben auch einen Eindruck hinterlässt, weil man es so hier nicht kennt.“ So erzählt er die Geschichte der verwunderten Dame, die kaum glauben wollte, was sie da sah. Alles war picobello sauber, niemand musste mehr hinterher putzen.
Sieben bis zehn Tage verbringt er jeden Monat in Agnetheln. „Das ist für mich keine Belastung, ich freue mich, wenn ich dort bin.“ Der Hof nimmt immer mehr Gestalt an. Das Grundstück umfasst 2500qm, davon sind 900qm Wohn- und Lagerfläche, die perfekt nutzbar gemacht werden für eine Ausstellung mit Showroom, den Baustoffhandel und ein neues Schulungszentrum. Genug Platz, um dort selbst bequem wohnen zu können und Freunde zu empfangen, gibt es ebenfalls. „Die Leute können im Showroom alles, was wir anbieten ansehen, testen und anfassen und sich selbst ein Bild von der Qualität machen“, so Stirner.
Damit sein Weg von Erfolg gekrönt ist, tritt Stirner mit seinem Unternehmen genauso auf, wie er es auch in Deutschland macht. Ein ordentlich und professionell beschrifteter Fuhrpark und ordentlich gekleidete Mitarbeiter sind nun mal ebenso ein Aushängeschild, wie ordentliche und saubere Baustellen.
Seiner Heimat verbunden
Stirner liebt seine alte Heimat, das merkt man ihm an, wenn er über sie spricht. Wenn er erzählt, in welcher Aufbruchstimmung sich das Land befindet, dass die Mentalität eine andere ist, auf die man sich einlassen müsse, aber dann sicher nicht von den Menschen enttäuscht werden würde. „In Rumänien ticken die Uhren eben anders. Die Mentalität ist eine andere. Es ist alles nicht so schnell und hektisch, aber es ist besonders.“ Auf die Frage hin, was Heimat für ihn bedeutet, antwortet er: „Meine Heimat ist in Agnetheln in Siebenbürgen. Aber in Wimmental bin ich zu Hause“.