Die Kundin betritt am Abend von einem harten Arbeitstag gezeichnet ihre Wohnung und stößt einen schrillen Schrei aus. Sie traut ihren Augen kaum. Überall feinster Staub, zentimeterdick – im Flur, in der Küche und im Badezimmer. In ihrer Badewanne findet sie sogar feinste Tapetenreste, im Waschbecken hängen noch undefinierbare Farbüberbleibsel. Ihr Wohnzimmer wird gerade renoviert – die übrigen Räume allerdings nicht.
Zugegeben, diese Szene ist etwas überspitzt dargestellt und hat sich so hoffentlich noch bei keiner Wohnzimmerrenovierung abgespielt, denn ein Folgeauftrag dürfte dem ausführenden Betrieb bei dieser Arbeitsweise sicher nicht vergönnt sein. Dennoch lassen sich aus dieser Darstellung interessante Erkenntnisse ableiten, die jeden Betrieb angehen und über die jeder Betrieb nachdenken und seine Mitarbeiter vorbereiten sollte.
Baustelle ist nicht gleich Baustelle
Eine Sache ist allen Baustellen gemeinsam: Es entstehen Dreck und Staub. Das ist ganz normal. Das weiß auch der Kunde. Doch es gibt auch relevante Unterschiede, die Beachtung finden müssen.
So ist eine Renovierung im Haushalt eines Privatkunden eine sensible Sache. Das gleiche gilt auch für die Renovierung von Geschäftsräumen. Mitarbeiter eines Malerbetriebs, die oft in Neubauten arbeiten, werden sich hier umstellen müssen. Sie müssen den Unterschied verstehen, erkennen, beherzigen und umsetzen.
Das Umfeld prägt das Vorgehen
Die Kundin aus unserem Beispiel wohnt offensichtlich während der Renovierung in ihrer Wohnung. Das heißt, sie benutzt Badezimmer, Küche, Schlafzimmer und alle ihr zugänglichen Bereiche soweit ihr das möglich ist. Natürlich will sie so wenig wie möglich in ihrem Tun und Handeln beeinträchtigt werden. Vor allem keine Abstriche in den Räumlichkeiten machen, die gar nicht renoviert werden. Sie möchte auch nicht, dass die Feinstaubbelastung in ihrer Wohnung so hoch ist, dass sie kaum noch atmen kann. Und sie hat auch keine Lust auf intensive Putzorgien am Abend. Zudem befinden sich in der Wohnung wertvolle Erinnerungsstücke, um deren Unversehrtheit sie bangt.
Szenenwechsel Neubau: Hier wohnt niemand – noch nicht. Alle Handwerker (Elektriker, Dachdecker, Tischler etc.) können nach Belieben schalten und walten. Ein bisschen mehr Staub oder Dreck macht „den Käse auch nicht fett“. Immerhin befinden sich weder Möbel noch sonstige wertvolle Gegenstände im Haus. Vor dem Einzug wird sowieso eine ausführliche Grundreinigung vom Kunden durchgeführt. Und der grobe Dreck wird am Ende des Tages natürlich vom Betrieb fachgerecht entfernt. Nur auf die Fenster, auf die wird sorgfältig geachtet. Die sind ja ganz neu. Ach ja – und die sanitären Anlagen sind schon eingebaut. Also auch hier besondere Obacht.
Mitarbeiter sensibilisieren
Natürlich müssen sich Mitarbeiter auch in einem Neubau größte Mühe geben, alle Arbeiten ordnungsgemäß und perfekt zu absolvieren. Aber das „Drumherum“ ist ein Anderes. Mehrere Gewerke sind meist vor Ort und arbeiten gleichzeitig bzw. sehr zeitnah miteinander. Dreck, der entsteht, wird meist nicht sofort beseitigt, auch macht es nicht so viel aus, dass Staub überall hinzieht. Es ist ja eh noch nichts fertig, niemand wohnt in den Räumen, alles befindet sich eben noch im Bau.
Mitarbeiter, die viel Zeit im Neubaubereich verbringen, können oft schwer „umschalten“ wenn sie plötzlich in einer Privatwohnung eine Renovierung absolvieren sollen. Sie sind noch in ihrem „Neubau-Modus“ und verstehen nicht, warum jemand über Staub oder Dreck jammert und sich aus seiner Sicht pingelig gibt. Deshalb müssen sie für diese Unterschiede hinreichend sensibilisiert werden. Dies ist Aufgabe des Chefs.
Klaren Verhaltenskodex etablieren
Eine regelmäßige Teambesprechung kann auch dazu genutzt werden, den Mitarbeitern generelle Verhaltensregeln an die Hand zu geben. Es gibt Verhaltensregeln, die dürften jedem klar sein, weil sie der gesunde Menschenverstand gebietet. Pünktlich zu sein und den Kunden freundlich zu begrüßen, auf Fragen nett antworten, einfach behilflich sein. Andere wiederum sind das vielleicht nicht mehr, weil sie mit den Jahren in Vergessenheit geraten sind. Vielleicht hat sich eine dumme Angewohnheit eingeschlichen über die die Mitarbeiter gar nicht mehr groß nachdenken, die aber vom Kunden als sehr störend empfunden wird. Weiß der Chef um diese Unzulänglichkeiten, dann ist jetzt der Zeitpunkt die Reißleine zu ziehen und den Mitarbeitern eine Verhaltensänderung abzuverlangen. Es gibt Dinge, die gehören sich nicht – vor allem nicht beim Kunden. Gibt es also Verhaltensweisen, die den Kunden und den Chef stören, dann sollte sie der Chef zur Sprache bringen.
Mitarbeiter miteinbeziehen
Verhaltensregeln müssen übrigens nicht einseitig vom Chef diktiert werden. Je nach betrieblicher Unternehmens- und Führungskultur lassen sich Verhaltensregeln auch in einer Teambesprechung erarbeiten. Der Chef stellt das Problem aus Kundensicht dar und die Erarbeitung künftiger Verhaltensweisen erfolgt gemeinsam. So werden diese von den Mitarbeitern besser verstanden, verinnerlicht und umgesetzt. Lernen Mitarbeiter, sich in die Rolle des Kunden zu versetzen und diesen zu verstehen, werden durch vorausschauendes Handeln bestimmte Problemstellungen erst gar nicht mehr entstehen.
Der Baustellen-Knigge
„Der Baustellen-Knigge“ ist ein erster Input für Betriebe, die einen Verhaltenskodex für ihre Mitarbeiter verschriftlichen wollen. Er dient als gute Grundlage für eine Teambesprechung und kann bzw. sollte an betriebliche Gegebenheiten angepasst werden.
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Der Artikel wurde am 17.8.2022 aktualisiert.