
Fototapeten liegen schon seit einigen Jahren im Trend. In der Regel sieht man großflächige Naturmotive oder angesagte Prints in coolen Trendfarben. Malermeister Johannes Hünnemeyer aus Castrop-Rauxel geht seinen eigenen Weg in Schwarz-Weiß und mit viel Lokalkolorit.
Das Ruhrgebiet ist reich an Geschichte und Kultur. Früher war das Ruhrgebiet vor allem für den Bergbau und seine unzähligen Zechen bekannt. Auch wenn heute längst „Schicht im Schacht“ ist und die letzten Zechen schon vor Jahren außer Betrieb gingen, wissen die Menschen, was sie dem Bergbau zu verdanken haben und werfen gerne einen Blick zurück auf die Zeit unter Tage, die auch das Alltagsleben und die Freizeitgestaltung stark prägte. Es ist kein wehmütiger Blick zurück. Es ist ein stolzer Blick zurück. Die Menschen sind stolz auf ihren „Pott“, wie sie die Region oft selbst liebevoll nennen, und bewahren ihre Wurzeln und ihre Verbundenheit zur Bergbau-Ära.
Die stolze Vergangenheit im Blick
Warum also nicht den so besonderen Ruhrpott-Charme aus vergangenen Tagen zu den Menschen ins Wohnzimmer, Flur oder Schlafzimmer bringen? Johannes Hünnemeyer hatte diese außergewöhnliche Idee und setzt sie nun mit außergewöhnlichen Fotografien um. Es ist ein anderer Ansatz, der in erster Linie das Lokalkolorit des Ruhrpotts in den Vordergrund stellt. Dazu nutzt Hünnemeyer nicht irgendwelche Fotografien. Er verarbeitet das fotografische Werk des bekannten Zeitzeugen Helmut Orwat.
Den besonderen Zechen-Charme, die Industriekultur drumherum sowie das Leben darin hat wohl kein anderer so perfekt porträtiert und konserviert wie der Fotograf Helmut Orwat. Der heute 84-jährige Orwat hat über Jahrzehnte als Pressefotograf und Fotojournalist gewirkt und den Bergbau rund um die Zechen und das Leben zu dieser Zeit in ausdrucksstarken Bildern festgehalten. Orwat, Sohn eines Bergmanns, entdeckte nach einer Schreinerlehre seine Liebe zur Fotografie, betrieb sie zunächst als Hobby und später freiberuflich, bis er schließlich sein Hobby zum Beruf machte und als Pressefotograf bei den Ruhr Nachrichten arbeitete. Er richtete dabei den besonderen Blick und Fokus auf gewöhnliche Menschen und ihr Umfeld und erzählt mit seinen Bildern Geschichten. In den 1960ern bis in die 1990er entstanden viele Bildserien aus Politik, Gesellschaft und Kultur. Auch dokumentierte er Konzerte und Filme im Bereich des Showbusiness.
Ruhrpott-Fotografien schmücken Wände
Damit Hünnemeyer die Fotografien bedenkenlos nutzen kann, sicherte er sich jetzt von einem Teil der Werke die Rechte. „Die Idee aus den Fotografien eine Tapete zu machen ist völlig neu“, sagt der Castroper Malermeister, der selbst ambitionierter Hobby-Fotograf ist und fügt hinzu: „Noch niemand ist bis jetzt darauf gekommen. Und ich finde, es passt zu mir, es gibt da eben eine Verbindung.“ Orwat, persönlich bekannt mit Hünnemeyer und ebenfalls in Castrop-Rauxel lebend, konnte sich für die Idee begeistern, so dass diese in die Tat umgesetzt werden konnte.
Das Revier, wie das Ruhrgebiet auch genannt wird, hatte schon immer seinen eigenen Charme. Die über Jahrzehnte entstandenen Fotografien zeugen davon und das nicht nur in Bezug auf den Zechenalltag. Sie zeigen alltägliches Leben im Ruhrgebiet: Trinkhallen, Wochenmärkte, Taubenzüchter oder Menschen mit Kittelschürzen, um nur einige Fotomotive zu nennen. Diese sind oft Schnappschüsse der ganz besonderen Art.
„Das Tolle daran ist, dass ich die Geschichte hinter den einzelnen Bildern kenne“, freut sich der Malermeister. Durch seine persönliche Bekanntschaft mit Orwat hat er viele und detailreiche Insiderinfos darüber, wie ein Foto entstanden ist. „Diese Industriefotografie kann man dezent einsetzen, meint Hünnemeyer, als Teilwand hinter einem Esstisch, eben so, dass es passt.“

Neben klassischen Fototapeten liegt auch die Schwarz-Weiß-Fotografie aktuell im Trend. Analoge Fotografie erlebt ein absolutes Revival, vor allem bei jungen Menschen. Daher ist der grobkörnige Charme, der bei den schwarz-weißen Orwat-Fotos ins Auge sticht, derzeit voll angesagt. So dürfte Hünnemeyer mit seiner Idee bei jeder Kundengeneration punkten.
Einzigartig anders: Keine 08/15-Tapete
Hünnemeyer lebt seine Idee: „Ich wollte nie 08/15 Raufaser machen“, sagt er und fügt hinzu: „Als schräger Vogel in der Branche wahrgenommen zu werden, finde ich gut.“
Die Fotografien lässt Hünnemeyer von der Marburger Tapetenfabrik drucken, entsprechend der gewünschten Größe. Für die Zukunft plant er ein kleines Plexiglas-Schild mit Infos zur Fotografie an der Tapete mit anzubringen, als Zeichen der Originalität. Seinen Rechnungen legt er jetzt schon ein von Orwat signiertes Foto im Postkartenstil bei. „Das dient einfach als Hinweis, dass wir sowas anbieten und natürlich auch als nette Geste, als Dankeschön“, sagt der Malermeister.

Zurzeit findet im LWL Museum Schiffshebewerk-Henrichenburg eine Ausstellung zu den Werken von Helmut Orwat statt. Bis zum 4. Februar 2024 können seine Werke dort noch bewundert werden.
Mehr Infos zu der Ausstellung erhalten Sie auf den Seiten des LWL Museums (externer Link): https://schiffshebewerk-henrichenburg.lwl.org/de/ausstellungen/taeglich-bilder-fuers-revier/