Der seit Jahrzehnten an Hausfassaden zur Dämmung eingesetzte Dämmstoff Polystyrol, dem der Flammhemmer HBCD (Hexabromcyclododecan) beigefügt wurde, wird wohl in Kürze als gefährlicher Abfall eingestuft und gilt dann als Sondermüll. Das ergab eine Nachfrage von Malerblog.net beim Umweltbundesamt.
Vom Dämmstoff zum Sondermüll
In Deutschland regelt die Abfallverzeichnisverordnung (AVV) die Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit. Diese wurde jetzt novelliert. In der am 10. März 2016 veröffentlichten Abfallverzeichnisverordnung wurde ein Verweis auf alle Stoffe gesetzt, die im Anhang IV der EU-POP-Verordnung gelistet sind. Laut Umweltbundesamt erfolgte die Aufnahme von HBCD in diesen Anhang bislang zwar noch nicht, wird aber in Kürze erwartet. Dann werde es voraussichtlich noch eine 6-monatige Übergangsfrist geben, sodass HBCD-haltige Dämmstoffe voraussichtlich ab Herbst 2016 gefährlicher Abfall seien.
Gefährlichkeit von HBCD
Das Gute vorweg: Die Chemikalie HBCD hat laut Umweltbundesamt keine akut toxische Wirkung für die menschliche Gesundheit. In einer Veröffentlichung zu HBCD führt das Umweltbundesamt in Bezug auf HBCD in Dämmplatten aus: „Auch wer in einem Haus mit HBCD-haltigen Dämmplatten wohnt, muss nach heutigem Kenntnisstand bei fachgerechter Anwendung keine negativen Effekte auf seine Gesundheit befürchten, da in der Nutzungsphase nur wenig HBCD aus den Platten austritt, das über die Luft oder den Hausstaub von den Bewohnern aufgenommen werden könnte.“ HBCD kann sich wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge aber in der Umwelt anreichern, auf diese Weise auch in die Nahrungskette und somit in den menschlichen Körper gelangen. Die Langzeitfolgen und ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt sind daher nicht abschätzbar. Aus Vorsorgegründen sollte daher eine Freisetzung von HBCD verhindert werden.
EU erlaubt weitere Verwendung – zeitlich befristet mit Zulassung
Wegen dieser problematischen Umwelteigenschaften wurde HBCD im Mai 2013 unter der internationalen Stockholm-Konvention als langlebiger organischer Schadstoff (POP) eingestuft. Für diese Stoffe gilt ein weltweites Herstellungs- und Verwendungsverbot. Die Vertragsstaaten haben aber die Möglichkeit, zeitlich begrenzte Ausnahmen für die Verwendung von HBCD in Dämmplatten zuzulassen. Die EU-Kommission hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Verwendung von HBCD in Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol (EPS) weiterhin ermöglicht. Das endgültige Verbotsdatum steht noch nicht fest. Das Umweltbundesamt geht derzeit davon aus, dass die Herstellung voraussichtlich bis 21. August 2017 und der Verkauf sechs weitere Monate erlaubt sein wird. Allerdings bedürfen diese HBCD-haltigen Dämmstoffe in der EU seit 21. August 2015 einer Zulassung. Wer eine solche Zulassung erteilt bekommen hat, lässt sich der Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt vom 13. Januar 2016 entnehmen (hier der Link: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52016XC0113(01)&from=DE). Mit der vollständigen, späteren Verbotsumsetzung wollte die EU den Herstellern Zeit verschaffen, HBCD zu ersetzen.
Alternative vorhanden: Flammschutzmittel Polymer-FR
Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum ein Stoff als gefährlicher Abfall deklariert werden soll, während er gleichzeitig, zwar zulassungs- und kennzeichnungspflichtig, noch in den Verkehr gebracht werden darf. Dies erscheint in höchstem Maße inkonsequent, vor allem vor dem Hintergrund, dass es längst eine marktreife Alternative zu dem Brandhemmer HBCD gibt. Das neue Flammschutzmittel Polymer-FR hat nach wissenschaftlichen Erkenntnissen günstigere Umwelteigenschaften und gilt als unbedenklich. Die Mitglieder des Industrieverbands Hartschaum (IVH) nutzen nach eigenen Angaben schon seit Ende 2014 ausschließlich Polystyrol-Rohstoff mit dem neuen Flammschutzadditiv Polymer-FR. Der aktuelle Styropor-Leitfaden des IVH enthält hierzu umfassende Informationen und kann auf deren Website abgerufen werden (www.ivh.de).
Verarbeiter aufgepasst: Augen auf bei Einkauf und Rückbau
Für Maler und Stuckateure heißt es jetzt jedenfalls, genau hinschauen, was angeboten wird und was verarbeitet werden soll. Kein Bauherr dürfte sich über „Sondermüll“ an seiner Hausfassade freuen. Es gibt hinreichend umweltverträgliche Dämmstoffe. Hier ist der Maler und Stuckateur als Verarbeiter und Berater gefragt, um den passenden Dämmstoff für den Bauherrn und sein Bauprojekt zu finden. Falls der Rückbau von HBCD-haltigen Dämmplatten anstehen sollte, werden sich Maler und Stuckateur frühzeitig mit dem Thema „Entsorgung“ auseinandersetzen müssen, um eine fachgerechte Entsorgung zu gewährleisten. Welche Konsequenzen die Einstufung als „gefährlicher Abfall“ weiterhin aus Sicht des Arbeitsschutzes haben wird, bleibt abzuwarten.
Ausführliche Hintergrundinformationen zu dem Thema enthält die Veröffentlichung „Hexabromcyclododecan (HBCD) – Antworten auf häufig gestellte Fragen“ des Umweltbundesamtes (Stand: Januar 2016)