Wer an einer öffentlichen Ausschreibung teilnimmt, hofft darauf, den Zuschlag zu erhalten. Hat sich aber ein dicker Fehlerteufel ins Angebot geschlichen mit der Folge, daß der daraus resultierende super-günstige Angebotspreis keine wirtschaftlich rentable Ausführung mehr zuläßt, ist dem Bieter nicht mehr zum Lachen. Der Traum vom Zuschlag wird dann schnell zum Alptraum.
So wurde ein falscher Mengenansatz einer Position im Angebot einem Bauunternehmer zum Verhängnis. Er hatte im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung für Straßenbauarbeiten ein Angebot abgegeben. Sein Angebot wies einen Preis von rund 455.000 Euro aus, das nächstgünstigste belief sich auf rund 621.000 Euro. Er lag damit mehr als 25% unter dem zweitgünstigsten Angebot. Noch vor Zuschlagserteilung bemerkte der Bauunternehmer seine Falschberechnung und bat um Ausschluß seines Angebots von der Wertung. Die Vergabestelle erteilte ihm dennoch den Zuschlag und nachdem er nicht leisten wollte, beauftragte sie den nächsten der Liste. Sodann verlangte das Land vom Bauunternehmer Schadenersatz in Höhe der Kostendifferenz.
Zu Unrecht wie jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschied (Urteil vom 11. November 2014 – X ZR 32/14), denn der Bauunternehmer war trotz des Zuschlags nicht verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen oder Schadenersatz zu leisten. Der Auftraggeber hätte ihm nämlich gar nicht den Zuschlag erteilen dürfen. §241 Abs. 2 BGB verpflichtet jeden Vertragspartner zur Rücksichtnahme auf den anderen. Gegen diese Rücksichtnahmepflicht verstößt der öffentliche Auftraggeber, wenn er einen Bieter an der Ausführung des Auftrags zu einem Preis festhalten will, der auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht.
Doch längst nicht jeder Rechenfehler ist ein erheblicher Kalkulationsirrtum und berechtigt zu einer Rücknahme des Angebots. Dies gilt nur in absoluten Extremfällen. Der BGH weist ausdrücklich daraufhin, daß „sichergestellt sein muß, daß sich ein Bieter nicht unter dem Vorwand des Kalkulationsirrtums von einem bewußt sehr günstig kalkulierten Angebot loslöst, weil er es im Nachhinein als für ihn selbst zu nachteilig empfindet.“
Das Urteil ist also keineswegs ein Freifahrtschein für Bieter. Nicht jedes wirtschaftlich nachteilige Angebot berechtigt den Bieter sich vom Vertrag loszusagen. Wer zum Beispiel weit unter dem Marktwert anbietet, um der Günstigste zu sein und später feststellt, daß noch Spielraum zum Nächstgünstigsten besteht, der muß auch die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat. Schlecht kalkulierende Unternehmer müssen nicht vor sich selbst geschützt werden. Jeder Unternehmer ist für sein kaufmännisches Können und Handeln selbst verantwortlich.
Die Schwelle zum Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht sieht der BGH aber überschritten, wenn „vom Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr erwartet werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer noch annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen.“
Beruht der günstigste Angebotspreis also auf einem „erheblichen Kalkulationsirrtum“ und kann die Leistung zu dem Preis nicht ansatzweise wirtschaftlich erbracht werden, darf sich die öffentliche Hand dieses Schnäppchen nicht durch die Erteilung des Zuschlags sichern.
Mehr zum Thema:
Pressemeldung des Bundesgerichtshofs vom 12. November 2014