Gab es bei Ihnen im Betrieb auch schon mal einen Konflikt? Plötzlich ging nichts mehr richtig zusammen. Da war kein Kompromiss mehr möglich. Da musste ein Schlussstrich gezogen werden. Vielleicht denken Sie heute: „Wenn ich den Konflikt doch nur hätte vermeiden können!“. Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Konflikte lassen sich kaum vermeiden, denn sie sind ein Zeichen dafür, dass eine Beziehung zwischen den Konfliktparteien besteht. Wo Beziehungen existieren, da geht es immer auch um Gefühle, Erwartungen und Interessen. Das führt zwangsläufig irgendwann einmal zu Missverständnissen, zu Enttäuschungen über nicht verstandene und/oder nicht erfüllte Erwartungen und zu unterschiedlichen Interessen. Deshalb wird es auch immer Konflikte geben. Doch die Eskalation eines Konfliktes lässt sich durchaus vermeiden, wenn man weiß, wie Konflikte entstehen und welche Dynamik sie entwickeln können.
Konfliktentstehung
Konflikte können immer und überall entstehen. Manchmal werden Ziele oder Erwartungen von den beteiligten Personen unterschiedlich wahrgenommen oder interpretiert. Da sagt beispielsweise der Chef, dass man sich ranhalten müsse, und dass man gerade bei diesem Kunden eine absolute Top-Qualität abzuliefern habe. Aber was bedeutet das konkret für den Mitarbeiter? Was heißt „ranhalten“? Bedeutet das, dass die Baustelle morgen fertig sein soll oder erst in einer Woche. Und was bedeutet „Top-Qualität“? Sie merken schon, hier ist eigentlich nichts klar, außer, dass die Erwartungen hinterher garantiert nicht erfüllt sein werden. Da ist der Ärger schon vorprogrammiert, weil einfach die detaillierten Informationen fehlen. Die Folge sind Unklarheiten. Wie sollen sich die Beteiligten verhalten? Die Bewertung des Chefs wird hier ganz sicher anders ausfallen als die der Mitarbeiter.
Eine andere Konfliktursache sind oft persönliche Differenzen. Das hat dann damit zu tun, dass Menschen eine einzigartige Persönlichkeit haben. Und die Eigenarten des einen vom anderen nicht richtig verstanden werden.
Konfliktarten
Wenn man sich Konflikte genauer ansieht, so kann man drei grundsätzliche Arten unterscheiden.
(1) Zunächst sind da die Wahrnehmungskonflikte zu nennen. Hier wird ein Verhalten oder eine Aussage von den Konfliktparteien unterschiedlich wahrgenommen. Oft mangelt es dabei einfach an der Wertschätzung des Gegenübers. Und wenn die Wertschätzung fehlt, dann führt das meist zu Angriff („Was willst Du eigentlich von mir, dass weiß ich ja wohl besser…“) oder Rückzug („Da hast Du eh keine Ahnung von, darüber diskutiere ich nicht mit Dir…“).
(2) Oder es besteht ein Ungleichgewicht in der Verfügbarkeit von materiellen Dingen, von Status oder Territorium und daraus resultieren Verteilungskonflikte. Wenn also beispielsweise ein Mitarbeiter nicht damit einverstanden ist, dass sein Kollege in bestimmten Situationen entscheiden darf und er eben nicht.
(3) Ähnlich verhält es sich mit den Rollenkonflikten. Wenn nämlich die Erwartungen an eine Rolle, beispielsweise die Position des Abteilungsleiters, nicht klar oder unterschiedlich sind. Oder wenn verschiedene Personen einen Anspruch auf dieselbe Rolle geltend machen.
Konflikte wahrnehmen
Die beteiligten Personen nehmen Konflikte meistens als Störung der eigenen Handlungsmöglichkeiten wahr. Sie fühlen sich in ihren Handlungen eingeschränkt und gesteuert. Das ist meist verbunden mit Gefühlsregungen wie Spannung, Desorganisation, Bedrohung und Angst. Plötzlich dreht sich immer öfter alles um den Konflikt. Der Konflikt wird zum zentralen Thema. Er engt ein und zwar sowohl psychisch als auch physisch. Der Konflikt eskaliert.
Glasls Eskalaktionsstufen
Der Österreicher Friedrich Glasl hat dazu ein Modell entwickelt. Das hilft Konflikte zu analysieren, um während ihres Verlaufes besser reagieren zu können. Glasl unterscheidet neun Eskalationsstufen:
- Verhärtung: Konflikte beginnen mit Spannungen. Gelegentlich prallen Meinungen aufeinander. Dies ist alltäglich und wird nicht notwendigerweise als Beginn eines Konflikts wahrgenommen. Die Beteiligten sind noch der Überzeugung die Spannungen lösen zu können.
- Debatte & Polemik: Die Beteiligten beginnen sich Strategien zu überlegen, um den Anderen von den eigenen Argumenten zu überzeugen. Es wird versucht bei außenstehenden Dritten „Punkte“ zu sammeln. Der Gegenüber wird zunehmend unter Druck gesetzt.
- Taten statt Worte: Es herrscht die Auffassung, dass Reden nichts mehr hilft. Also wird der Gegenüber vor vollendete Tatsachen gestellt. Es entsteht Misstrauen. Die Parteien gehen nicht mehr aufeinander ein. Es kommt zu Drohgebärden.
- Image und Koalitionen: Man beginnt Sympathisanten für seine Sache zu suchen. Man glaubt sich selbst im Recht und beginnt sein Gegenüber in negative Rollen zu manövrieren und zu bekämpfen.
- Gesichtsverlust: Es folgen öffentliche und direkte Angriffe, die darauf zielen, dass der Gegner sein Gesicht verliert. Gegenseitige Unterstellungen nehmen zu, das Vertrauen ineinander geht vollständig verloren. Der Gegner soll moralisch unglaubwürdig werden. Das Bild von „Teufel“ und „Engel“ entsteht.
- Drohstrategien: Die Gegner versuchen die Situation mittels Drohungen absolut unter Kontrolle zu bekommen. Es werden Forderungen gestellt, durch Sanktionen verschärft und mittels eines Sanktionspotenzials untermauert („Wenn du nicht folgst, dann…“). Stress für alle Beteiligten.
- Begrenzte Vernichtungsschläge: Die Beteiligten verfolgen das Ziel dem Gegner mit allen Mitteln empfindlich zu schaden. Sie nehmen sich nicht mehr als Menschen, sondern nur noch als Gegner wahr. Ein relativ kleiner eigener Schaden wird als Gewinn angesehen, wenn der Schaden des Gegners nur größer ist.
- Zersplitterung: Der Gegner soll mithilfe gezielter Vernichtungsaktionen zerstört werden. Hat der Gegner bereits Sympathisanten gewonnen, so wird versucht einen Keil dazwischen zu treiben.
- Gemeinsam in den Abgrund: Ab hier führt kein Weg mehr zurück. Die Beteiligten befinden sich in totaler Konfrontation und kalkulieren dabei die eigene Vernichtung mit ein, wenn dabei nur der Gegner ebenfalls vernichtet wird.
Konflikte lösen
In den ersten drei Stufen eines Konflikts ist es den Beteiligten noch möglich eine Lösung zum Vorteil aller anzustreben (win-win-Strategie). Bei der Lösung des Konflikts kommt dem Gespräch eine zentrale Rolle zu. Besonders wichtig ist hierbei das aktive Zuhören, also eine positive Grundhaltung dem anderen gegenüber.
Die Stufen 4 bis 6 sind dadurch gekennzeichnet, dass jede Konfliktpartei ihr Handeln darauf ausrichtet, als Sieger aus dem Konflikt hervor zu gehen. Dabei wird entweder in Kauf genommen oder bereits angestrebt, dass der andere Beteiligte den Konflikt als Verlierer verlässt (win-lose-Strategie). Den Konfliktparteien ist eine Lösung aus eigener Kraft meist verwehrt. Oft hilft nur eine professionelle Konfliktvermittlung durch Einsatz eines unbeteiligten und vor allem unparteiischen Dritten.
Die Stufen 7 bis 9 sind geprägt von der Konzentration darauf, den Gegner um jeden Preis verlieren zu lassen. Hier ist der eigene Erfolg nicht mehr wichtig. Es wird in Kauf genommen das eigene Ziel nicht zu erreichen, Hauptsache der Gegner verliert (lose-lose-Strategie). Lösungen sind meist nur durch Schieds- oder Gerichtsverfahren oder einen Machteingriff von außen möglich.
Richtig verhandeln
Die Eskalation eines Konfliktes lässt sich vermeiden, wenn der Konflikt frühzeitig erkannt und verhandelt wird. Die Verhandlung wird erleichtert, wenn Menschen und Probleme (Sachfragen) getrennt voneinander betrachtet werden, denn es macht keinen Sinn, die Sachfragen mit den etwaigen persönlichen Differenzen zu verkomplizieren. Weiterhin sollte nicht über die Positionen der Konfliktparteien diskutiert werden, sondern es sollten die dahinter stehenden Interessen herausgefiltert und dann bearbeitet werden. Dabei ist es sinnvoll zu versuchen, diese Interessen in Einklang zu bringen. Lösungsoptionen, die für beide Konfliktparteien Vorteile bringen, werden auch von beiden akzeptiert werden. Zuletzt sollten diese Lösungsoptionen einer Überprüfung mittels neutraler Kriterien standhalten. Dann sind beide Parteien zufrieden und der Konflikt ist auf Dauer gelöst.
„Ein Konflikt kann eine Chance sein. Durch die Lösung eines Konflikts können Erwartungen, Standpunkte und Bedürfnisse transparent werden. Das machte es den Beteiligten einfacher in Zukunft miteinander umzugehen. Und das setzt Energien frei, die nicht mehr vom Konflikt gebunden werden, sondern dem Unternehmen zugutekommen. Außerdem gilt: Das Leben ist viel zu kurz, um sich zu streiten.“ Diesen Beitrag schrieb: Thomas Scheld, Geschäftsführender Gesellschafter der C.A.T.S.-Soft GmbH mit langjähriger Erfahrung in der Beratung von Handwerksbetrieben |