Not macht erfinderisch. So erging es auch Nicole Ulsch. Als Malermeisterin und Mutter musste sie ihre Zeit effizient nutzen und so entwickelte sie einen innovativen Werkzeuggürtel, mit dem sie ihre Arbeitsabläufe auf der Baustelle wesentlich effizienter und schneller bewerkstelligen konnte als zuvor. Nicole Ulsch ließ das Taschensystem patentieren, erhielt für ihre Erfindung viel Zuspruch und bietet inzwischen den Werkzeuggürtel unter dem Produktnamen Practica Cingulis zum Kauf an. Malerblog.net sprach mit Nicole Ulsch, die seit 2010 ihr eigenes Unternehmen WohnArt in Abtsgemünd-Pommersweiler führt, über ihre Erfindung und Erfolgsgeschichte.
Frau Ulsch, Sie vermarkten Ihre Erfindung unter dem Namen „Practica Cingulis“. Was bedeutet dieser Name?
Der Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „praktischer Hüfthalter“.
Das ist ja wirklich eine passende Beschreibung für Ihren Werkzeuggürtel. Wie kamen Sie auf die Idee, diesen „Hüfthalter“ für Malerwerkzeuge zu kreieren?
Als Unternehmerin, die alleine arbeitet, musste ich meine Nische finden. Meine Nische sind hochwertige Kleinaufträge, am liebsten mit kreativen Wandgestaltungen, Maltechniken oder Stuck. Meist arbeitete ich vormittags vier Stunden, in denen meine Kinder im Kindergarten waren. Danach musste die Technik ja durchtrocknen und ich konnte mich um die Familie kümmern.
In diesen vier Stunden musste alles schnell vonstattengehen. Ich musste effizient sein und keine Zeit verlieren. Gerade bei Arbeiten mit häufigem Wechsel von Materialien und Werkzeugen war das aber schwierig. Es ging zuviel Zeit verloren, es war zu umständlich, weil ständig ein anderes Werkzeug benötigt wurde und zudem war es ein unheimliches Gefummel, wenn man nacheinander Messer, Spachtel oder eine Bürste aus seinen Hosentaschen kramen musste, um sie dann wieder an Ort und Stelle zu verstauen. Es war einfach nicht praktikabel die Werkzeuge in Hosentaschen so zu verstauen, dass sie schnell zur Hand waren und nicht irgendwo auf der Baustelle herum flogen. Es gibt zu wenig Platz in den gängigen Hosen und man muss meist mit einer zweiten Hand die Öffnung der Tasche aufhalten. Gerade wenn man in der Hocke oder auf Knien arbeitet, können Werkzeuge nur schwer aus den Hosen entnommen werden. Man muss aufstehen, das Werkzeug entnehmen, wieder knien und dann alles wieder von vorne. Das kostete einfach zu viel Zeit. Für dieses Problem brauchte ich eine Lösung.
Also habe ich eine Freundin angerufen, die näht, und sie gebeten, mir Taschen zu nähen, die immer offen stehen bleiben, so dass Dinge leicht herausgeholt und wieder rein getan werden können. Und so habe ich mit Klettschlaufen ein Taschensystem entwickelt. Heute kann ich übrigens selber auch ganz gut nähen.
Was sind die Vorteile dieses speziell für Malerwerkzeuge entwickelten Taschensystems? Nennen Sie ein paar Beispiele.
Die Arbeitszeit wird extrem verkürzt, ich bin viel schneller und effizienter. Ich arbeite total ergonomisch und kann meine Arbeitszeit viel effizienter nutzen. Das führt sogar soweit, dass ich meinen Stundensatz neu kalkulieren musste – zu meinem Vorteil natürlich. Außerdem ist eine gewisse Sicherheit gegeben, nichts liegt mehr als Stolperfalle herum. Und auch abgebrochene Messerkanten, die man nach getaner Arbeit vom Boden aufsammeln muss, gibt es nicht mehr. Die Verletzungsgefahr ist minimiert, denn dafür gibt es eine ganz spezielle Vorrichtung in einer Tasche: Die Messertasche! Hier werden die Klingen des Cuttermessers direkt in der Tasche abgebrochen und anschließend über eine Öffnung im Taschenboden sauber entsorgt.
Außerdem gibt es einen Rucksack zu dem Gürtel, der natürlich als ganz normaler Rucksack verwendet werden kann, um die Werkzeuge zu befördern, aber auch als Wäschebeutel dient. Das ist für den Transport sehr praktisch. Ich gebe meine Werkzeugtaschen mit Inhalt einfach in den Rucksack hinein, schnalle ihn auf meinen Rücken und habe die Hände frei. Wenn der Werkzeuggürtel dreckig ist, hole ich alle Werkzeuge aus den Taschen heraus und packe den gesamten Rucksack mit Werkzeuggürtel in die Waschmaschine. Einfacher geht’s nicht.
Wie muss man sich diesen Werkzeuggürtel denn konkret vorstellen?
Das System besteht aus zehn verschiedenen Einzeltaschen, die alle einzeln oder aber in bereits fertigen Sets erworben werden können. So besteht zum Beispiel das Starter-Set aus dem Gürtel, einer Messertasche, einer Tasche für den Zollstock, einer Tasche für eine Schere und einer Kartuschentasche. Erweiterungssets beispielsweise für Tapezier- oder Abklebearbeiten sind natürlich ebenfalls vorhanden. Hier können Bürsten, Tapezierspachteln und andere Utensilien für ein effizienteres Tapezieren verstaut werden. Auch eine Tasche für die Unterbringung von Klebebändern steht passgenau zur Verfügung.
Die Taschen sind so konzipiert, dass alle Werkzeuge, die man als Maler ständig bei sich tragen muss, dort auch rein passen. Egal ob man steht, kniet oder hockt. Alles geht einfach raus und auch wieder rein. Außerdem kann jeder Anwender den Gürtel entsprechend seiner Figur in der Länge und Breite anpassen.
Das Tolle am Gürtel ist, dass er für die verschiedensten Arbeiten verwendet werden kann, ganz nach Wunsch. Es gibt beispielsweise eine kleine Tasche, die wunderbar für Schrauben und Dübel geeignet ist, passend für den Trockenbau. Ich wünsche mir sogar eine Zweckentfremdung, so wie bei einer Kundin, die den Gürtel für das Gassi gehen mit ihrem Hund benutzt und darin die Leckerli aufbewahrt.
Sie nutzen Ihre Erfindung nicht nur selbst, sondern vermarkten das Taschensystem mittlerweile im „großen Stil“. Wie kam es dazu?
Als ich die ersten Taschen von Hand genäht hatte, habe ich eine davon mal einem befreundeten Rechtsanwalt gezeigt. Der war begeistert und hat mir einen Kontakt zu einem Patentanwalt gemacht. Er war der Meinung, dass mehr Menschen damit arbeiten sollten. Und so kam eins zum anderen. Ich nahm an Messen teil, wo mich viele Leute wahrgenommen haben. Besonders die Internationale Handwerksmesse (IHM) in München, wo ich als Ausstellerin der Sonderschau „Innovation gewinnt“ teilnahm, war eine Art Durchbruch. Das war irgendwie der Schlüssel. Es waren so viele Endverbraucher, Chefs und Mitarbeiter von Malerbetrieben sowie Großhändler vor Ort, die ihr Interesse bekundeten. Mittlerweile nutze ich das Internet und Social Media, um den Werkzeuggürtel bekannt zu machen, stelle aber auch auf Messen aus.
Wer produziert das Taschensystem für Sie?
Ich habe einen sehr guten Hersteller von Berufsbekleidung, WORKS Kiefner, in Neckartenzlingen gefunden, der die Taschen genauso näht, wie ich sie haben will. Vor allem sind sie aus einem hochwertigen Material, Cordura, gefertigt, so dass eine hohe Langlebigkeit gewährleistet ist.
Um das Ganze zu finanzieren, habe ich sehr viel mehr gearbeitet. Ohne die Unterstützung meiner Familie und vor allem meiner Mutter, hätte es allerdings nicht funktioniert.
Wo können Ihre Maler-Kollegen den Practica Cingulis erwerben?
Das Taschen-Gurtsystem kann über meinen Onlineshop (www.werkzeugtaschen-gurtsystem.de) erworben oder bei Farben und Heimtex Großhandel Jedele gekauft werden.
Wie reagiert Ihr Umfeld auf diese Innovation?
Mein privates Umfeld findet es super und steht voll hinter mir. Aber es geht nicht um mich. Es geht um die Maler da draußen, die davon überzeugt werden müssen. Ich will, dass sie den Gürtel toll finden und damit arbeiten und die Erfahrungen machen, die auch ich gemacht habe. Ich bin schon soweit gekommen bis hier her und ich werde den nächsten Schritt auch schaffen.
Frau Ulsch, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Werkzeugtaschen-Gurtsystem Practica Cingulis.