Ein Mindestlohn für Auszubildende existiert laut Gesetz (noch) nicht. „Im Rahmen der Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) werden wir eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz verankern. Das Gesetz soll bis zum 1. August 2019 beschlossen werden und zum 1. Januar 2020 in Kraft treten“, so ist es auf Seite 30 der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD zu lesen. Das heißt konkret: Kommt die GroKo, wird der Mindestlohn für Auszubildende Realität. Ob dies der Fall sein wird, haben jetzt allein 460.000 SPD-Mitglieder in der Hand, die über Sein oder Nichtsein entscheiden.
Wie der Mindestlohn für Azubis konkret ausgestaltet sein soll, darüber schweigt sich der Koalitionsvertrag aus. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat sogleich seine Vorstellungen von einem Mindestlohn für Azubis online publiziert und fordert eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung des jeweiligen Ausbildungsjahres. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack wird auf der DGB-Website (www.dgb.de) mit den Worten zitiert: „Dort wo die Vergütung besonders niedrig ist, sind die Abbrecherquoten extrem hoch.“ Der Gewerkschaftsbund verweist hier auf das Friseurhandwerk mit einer Vergütung von 406 Euro im ersten Lehrjahr und einer hohen Abbruchquote.
Doch was sind die Fakten? Denken Azubis wirklich so monetär? Die Würth-Handwerks-Studie 2015 liefert hierzu interessante Ergebnisse. 450 Auszubildende aus dem Handwerk wurden befragt. Auf die Frage „Bitte sagen Sie uns, wie wichtig für Sie die nachfolgenden Faktoren bei der Wahl Ihres Berufes/Arbeitsplatzes sind?“ hielten nur 20 Prozent ein angemessenes Ausbildungsgehalt für „sehr wichtig“. Auch die Größe des Unternehmens, das Angebot an betrieblichen Zusatzleistungen, die Arbeitszeiten oder das Image/Bekanntheit des Unternehmens hatten für die Nachwuchshandwerker so gut wie keine Bedeutung. Als sehr wichtig empfanden aber 84 Prozent das „gute Verhältnis zu den Kollegen“, sprich das Arbeitsklima. Weitere weiche Faktoren wie Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit, Unterstützung im Unternehmen sowie ein gutes Verhältnis zum Chef spielen für die jungen Menschen ebenfalls eine zentrale Rolle. Den monetären Blick richten die Nachwuchshandwerker eher auf die Zeit nach der Ausbildung. Dazu gehören ein angemessenes Gehalt ebenso wie Weiterbildungsmöglichkeiten oder Aufstiegsmöglichkeiten (Meister, Vorarbeiter, Selbständigkeit). Dies zeigt, die jungen Leute streben nach einer guten Ausbildung mit Perspektive.
Ob mit der Einführung eines Mindestlohns für Auszubildende Ausbildungsabbrüche in großem Maße verhindert werden können, darf bezweifelt werden. Im Jahr 1997 gab es laut dem Statistikportal statista.de noch rund 633.000 Nachwuchshandwerker. Fast zwanzig Jahre später, im Jahr 2016, war der Lehrlingsbestand auf rund 363.000 geschrumpft. Ein Schwund an Ausbildungsverträgen um fast die Hälfte. Diese Entwicklung ist nicht der Ausbildungsvergütung geschuldet. Die Perspektive muss für die Nachwuchshandwerker stimmen. Hier liegt das Problem.
Handwerk hat goldenen Boden!
Warum grinsen Sie beim Lesen dieses Satzes, lieber Leser? Geben Sie zu: Beim Lesen des Satzes haben Sie gedacht: „Das war einmal.“ Genau das ist das Problem. Die Perspektive stimmt nicht mehr. Das muss sich ändern. Hier ist die GroKo gefragt.