
„Billig kann teuer werden“ – mit diesem Slogan macht die Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main aktiv auf ein Problem aufmerksam, unter dem das Handwerk seit Jahren leidet und das den Kunden auch teuer zu stehen kommen kann. Mit der „Initiative Faires Handwerk“ gehen die Hessen einen eigenen, völlig neuen Weg, um nicht nur Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern ebenso aktiv gegen unfaire und illegale Beschäftigungsmodelle sowie Lohn- und Preisdumping und Schwarzarbeit am Bau zu kämpfen, Transparenz und Rechtssicherheit für den Endkunden zu schaffen sowie Arbeitsplätze zu erhalten. Die Initiative wurde vor kurzem mit dem Dr. Murjahn-Förderpreis 2019 ausgezeichnet und ist weit über das Rhein-Main-Gebiet hinaus bekannt. Mittlerweile haben sich nicht nur weitere Maler- und Lackiererinnungen der Initiative angeschlossen, auch aus anderen Gewerken konnten Mitstreiter gewonnen werden. Felix Diemerling, stellvertretender Obermeister und Geschäftsführer der Maler- und Lackiererinnung Rhein-Main, sagt: „Wir wollen einen fairen Wettbewerb, in dem alle Akteure mit den gleichen Waffen kämpfen. Bisher ist der Ehrliche der Dumme.“ Malerblog.net hat Felix Diemerling zur Initiative, ihren ersten Erfolgen und der Zukunft befragt.

Herr Diemerling, wie sind Sie auf die Idee gekommen das Gütesiegel „Initiative Faires Handwerk“ ins Leben zu rufen?
In unserem Markt gibt es seit den 90er Jahren zunehmend “Mitbewerber”, die mit so günstigen Preisen an den Markt gehen, dass das mit legalen Mitteln nicht mehr darstellbar ist. In der Praxis drückt sich das in Preisunterschieden von 40-60 % bei Ausschreibungen aus. In einem ersten Schritt haben wir die Ursachen dafür ergründet. Meist beschäftigen Billighandwerker kein oder kaum eigenes Personal. Sie vergeben die Leistungen an Scheinselbständige, die in Wahrheit rechtelose Tagelöhner sind, deren Arbeitnehmerrechte – wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, Arbeitsschutz, Sozialversicherung und vor allem die Altersvorsorge – über den “Trick” der Scheinselbständigkeit ausgehebelt werden. Der Staat nimmt das billigend in Kauf. Ein zweites Feld ist die handwerksrechtliche Schwarzarbeit. Wer Malerarbeiten ausführt, muss in die Handwerksrolle als Maler eingetragen sein. Damit gilt dann auch der Malerbranchenmindestlohn, das Urlaubskassenverfahren, die tarifliche Zusatzversorgung usw. Viele “Wettbewerber” lassen sich aber einfach als handwerksähnliche Gewerke (Holz- und Bautenschützer) oder in der meisterfreien Zeit als Raumausstatter eintragen. Damit verschaffen sie sich finanzielle Vorteile, die sich auch auf die Kalkulation auswirken.
Seit wann gibt es die Initiative?
Zunächst haben wir 2012 unsere Erkenntnisse über die verschiedenen Arten von Schwarzarbeit in einem Merkblatt zusammengefasst. Dann haben wir begonnen, Betriebe die Malerarbeiten bewerben oder ausführen ohne in die Handwerksrolle als Maler eingetragen zu sein, wettbewerbsrechtlich abzumahnen und an die Urlaubskasse zu melden. Da haben wir seit 2013 bis heute 700 (!) Betriebe überprüft und abgemahnt. In diesem Zuge haben wir auch einige Prozesse geführt – und ALLE gewonnen.
Die Initiative ist entstanden, weil wir Aufklärung bei Auftraggebern, der Politik und ganz allgemein in der Gesellschaft betreiben wollten. Die ersten Ideen dazu gab es im Laufe des Jahres 2016. Dann haben wir in intensiver Diskussion unsere Selbstverpflichtungserklärung erarbeitet. Das kommt wirklich von den Betrieben, ist authentisch und keine aufgesetzte Aktion. Das hat auch in der Innung Dynamik gebracht, war ein Musterbeispiel für einen demokratischen Prozess mit gutem Ergebnis.
Die Selbstverpflichtungserklärung verpflichtet die Betriebe zu einer Reihe von Punkten, die aus unserer Sicht einen fairen Betrieb ausmachen. Im Zentrum steht sicherlich die Verpflichtung, Arbeiten aus dem Kern des eigenen Handwerks auch mit eigenen sv-pflichtigen Mitarbeitern auszuführen. Subunternehmer dürfen nur noch leistungsergänzend oder zur Abdeckung von Spitzen eingesetzt werden.
Was ist Ihr Ziel?
Wir wollen einen fairen Wettbewerb, in dem alle Akteure mit den gleichen Waffen kämpfen. Bisher ist der Ehrliche der Dumme.
Wir wollen, dass der Verbraucher Qualität bekommt und sein Gewährleistungsrecht einfordern kann. Beauftragt er nämlich einen Handwerker mit Arbeiten aus einem meisterpflichtigen Gewerk, ohne dass dieser Betrieb in die Handwerksrolle in diesem Beruf eingetragen ist, so handelt es sich um Schwarzarbeit – damit ist der Vertrag nichtig und der Gewährleistungsanspruch des Kunden futsch. Bei uns Innungsbetrieben hat er sogar eine doppelte Gewährleistungssicherheit. Fällt ein Innungsmaler bei einer berechtigten Gewährleistung aus, kommt ein anderer Innungskollege und erledigt die berechtigt gerügten Mängel.
Wer sind Ihre Mitglieder?
Mitglied der Initiative Faires Handwerk können alle Innungsmitglieder werden, die die Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnen und den dazugehörigen Prüfprozess durchlaufen.
Was muss man tun, um Mitglied zu werden und zu bleiben?
In einem Prüfprotokoll müssen alle Mitglieder bestimmte Nachweise erbringen, die wir von der Innung jährlich neu prüfen. Nach erfolgreicher Prüfung erhalten die Betriebe dann, die von uns unterschriebene und gesiegelte Selbstverpflichtungserklärung. Weiterhin bieten wir Innungen die Möglichkeit Mitglied zu werden und dann den Prüfprozess und die Öffentlichkeitsarbeit für ihre Region selbst zu organisieren. Die Maler- und Lackiererinnung Düsseldorf und Lahn-Dill sind bereits Mitglied. Zur Koordination bekommt jede beteiligte Innung einen Sitz im dem sogenannten “Lenkungskreis”.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Mitglieder die Regeln (den Codex) einhalten?
Über das Prüfprotokoll. Verstößt ein Betrieb nachweislich gegen die Regeln, wird er ausgeschlossen. Das ist bisher aber noch nicht vorgekommen :-).
Gibt es spezielle Veranstaltungen (zum Beispiel Workshops oder Schulungen) für die Mitglieder? Werden diese in den Belangen der Initiative geschult?
Wir machen eine jährliche Veranstaltung mit Pressebeteiligung, bieten ansonsten natürlich eine Reihe von Seminaren, bei denen auch die Themen der Initiative Faires Handwerk behandelt werden.
Wie reagieren die Endkunden? Verstehen sie den Unterschied zu einem „Billig Handwerker“? Gibt es Rückmeldungen?
Es gibt sehr positive Rückmeldungen. Die Stadt Offenbach hat die Initiative sogar zu einem Vergabekriterium gemacht, das heißt Betriebe der Initiative haben einen klaren Marktvorteil. Auch die beteiligten Betriebe, die ihre Endkunden über die Teilnahme an der Initiative informiert haben, berichten über sehr positive Resonanz. Seitens der Stadt Frankfurt bekommen wir starke Unterstützung, vor allem von Stadtrat und Wirtschaftsdezernent Markus Frank.
Wie ist die Resonanz und Wahrnehmung generell am Markt?
Das Thema Fairness ist natürlich sehr aktuell und wir rennen häufig offene Türen ein. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit scheint uns hier auch im Bezug auf das Handwerk zu gelingen.
Wie ist Ihr Ausblick für die Zukunft? Glauben Sie, dass Ihr Beispiel Schule machen wird und sich auch andere Gewerke anschließen werden?
Neben den beteiligten Maler- und Lackiererinnungen Düsseldorf und Lahn- Dill haben wir mit der Glaser-, Elektro- und Sanitärinnung Frankfurt bereits drei Mitstreiter aus anderen Gewerken. Das wollen wir in der Region weiter ausbauen. Auch denke ich, dass sich 2020 noch viele weitere Innungen aus dem Malerhandwerk und auch aus anderen Gewerken anschließen werden.
Herr Diemerling, vielen Dank!
Weitere Informationen gibt’s auf der Website der Initiative unter www.faireshandwerk.de.