Studium oder Ausbildung? Viele junge Menschen wissen oft nicht welche berufliche Laufbahn sie nach der Schule einschlagen sollen. In Schleswig-Holstein hat das Pilotprojekt „Freiwilliges Handwerksjahr“ (FHJ) sich auf die Fahne geschrieben, dies jetzt zu ändern.
Das Freiwillige Handwerksjahr ist ein Projekt, das im Sommer 2024 von der Handwerkskammer Lübeck ins Leben gerufen wurde und seitdem angeboten wird. „Hier können junge Menschen sich einfach mal ausprobieren, indem sie in verschiedene Handwerksberufe reinschnuppern, um diese kennenzulernen und praktische Erfahrungen zu sammeln“, erklärt Nadine Grün, Abteilungsleiterin für Nachwuchsgewinnung bei der Handwerkskammer, in wenigen Worten, worum es geht.

Aus über 130 Berufsgruppen können die jungen Teilnehmer auswählen. 210 Betriebe möchten ein FHJ anbieten. „Im Trend befindet sich gerade sehr der Werkstoff Holz“, sagt Nadine Grün und führt dann fort: „Berufe wie Zimmerer, Tischler, Dachdecker und Bootsbauer sind gefragt. Und sogar weniger bekannte Nischenberufe wie der Segelmacher, sind mit von der Partie.“ Auch die Malerbranche ist vertreten.
Die Idee für das FHJ stammt aus dem Handwerk selbst. „Ursprünglich hatte ein Elektrobetrieb aus Baden-Württemberg die Idee, ein Jahr Praktikum mit unterschiedlichen Stationen im eigenen Betrieb anzubieten, so dass die Teilnehmer jedes Betätigungsfeld genau kennenlernen. Wir haben das Ganze dann weiter gedacht und uns überlegt, dass es doch cool wäre, wenn die Jugendlichen in diesem Jahr vier unterschiedliche Praktika in vier unterschiedlichen Betrieben und damit auch Gewerken absolvieren könnten“, erzählt Grün.
Gesagt, getan. Die Handwerkskammer koordiniert so seit letztem September die Connection zwischen den Betrieben und den Jugendlichen sehr erfolgreich. Sie begleitet darüber hinaus die jungen Menschen beim Einstieg in die Arbeitswelt und steht mit Rat und Tat zur Seite. Ziel ist es, die Bewerber in ein Ausbildungsverhältnis zu vermitteln.
Und das erfolgt flexibel. „Unser Konzept ist grundsätzlich so aufgebaut, dass der Teilnehmer oder die Teilnehmerin vier aufeinanderfolgende Praktika in unterschiedlichen Betrieben absolviert“, erklärt Grün und ergänzt: „Sollte allerdings die erste oder zweite Station dem Bewerber so gut gefallen, dass er oder sie bleiben möchte, kann die Ausbildung entsprechend dort begonnen werden. Auch dann, wenn das Praktikum bereits im Januar endet, der offizielle Ausbildungsstart aber erst im August erfolgt.“ Die jungen Menschen haben dann die Möglichkeit über eine Einstiegsqualifikation im gewählten Unternehmen bis zum Ausbildungsbeginn zu bleiben. Dies wird für die Betriebe entsprechend gefördert.
Das Handwerk sucht händeringend nach Nachwuchs und viele junge Menschen sind auf der Suche nach ihrem Traumberuf. Das Freiwillige Handwerksjahr ist daher eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Nadine Grün sagt dazu:
Die Betriebe sind froh, wenn junge potenzielle Bewerber kommen, und die jungen Bewerber können den Beruf in der Praxis erleben und dann erst entscheiden, ob es für sie passt.
Vom Schulabgänger über Abiturienten bis hin zu Studienzweiflern – die Teilnehmenden am FHJ kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenslagen. „Es sind in der Regel junge Menschen, die noch nicht genau wissen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen möchten. Einfach solche, die noch schwanken“, sagt Nadine Grün. „Wenn man sie aber mitnimmt, ihnen aktiv die Möglichkeit gibt, sich auszuprobieren, zeigen sie auch großes Engagement.“ Allerdings gibt sie auch zu bedenken, dass das Freiwillige Handwerksjahr nicht für jeden geeignet ist: „Die Teilnehmenden müssen schon ein gewisses Maß an Eigenverantwortung mitbringen und auch in gewisser Weise eigenständig sein. Denn es kommt einiges auf die Leute zu. Alle drei Monate wechseln sie in einen neuen Betrieb und erleben dabei jedes Mal etwas Neues. Sie müssen sehen, wie sie dort hinkommen, mit den Leuten im Gespräch bleiben. Idealerweise suchen sich die Jugendlichen ihren Betrieb auch selbst aus. Da ist durchaus Eigeninitiative gefragt.“
Doch das Projekt läuft gut. Nadine Grün ist mehr als positiv gestimmt und freut sich über die großartige Resonanz: „Wir stecken ja noch in den Kinderschuhen und für uns ist das auch alles learning by doing, also wir lernen quasi im Prozess. Aber die Resonanz bisher war einfach toll“. So seien auch viele Eltern vom FHJ begeistert. Durch dieses Interesse entstehe schnell Kontakt zu den Jugendlichen und damit auch zu Schulen und berufsberatenden Einrichtungen. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Von den teilnehmenden Jungs und Mädels halten bereits 53 Prozent einen Ausbildungsvertrag in Händen. Darauf können alle Beteiligten mehr als stolz sein.
Die Bezahlung der Teilnehmer ist ebenfalls geregelt. Sie alle erhalten vom Betrieb eine Aufwandsentschädigung von 450 EUR brutto. Für die Betriebe fallen zusätzlich noch Steuern und Sozialabgaben an. „Das ist eine Wertschätzung“, so Grün, die von den Betrieben positive Zustimmung finde.
Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die schwarz-rote Bundesregierung die Stärkung des Freiwilligendienstes auf die Fahnen geschrieben und dabei auch explizit das Freiwillige Handwerksjahr benannt. Durch diese Erwähnung hat das Pilotprojekt in Lübeck Zustimmung und Aufmerksamkeit erfahren, worüber sich die Initiatoren natürlich freuen.
Die Idee des Freiwilligen Handwerksjahres macht hoffentlich Schule und findet bundesweit auch in anderen Handwerkskammern und Einrichtungen Anklang. Gerade für junge Leute, die noch keine exakte Vorstellung von ihrem weiteren Lebensweg haben, bietet es viele Möglichkeiten.
Wer mehr über das Freiwillige Handwerksjahr (FHJ) erfahren möchte, findet alles Wissenswerte darüber online auf den Seiten der HWK Lübeck, einfach den Button klicken (externer Link)