Der „Blaue Engel“ ist ein Gütesiegel, welches so ziemlich jeder kennen dürfte. Es steht als Umweltzeichen für besonders umweltschonende Produkte und ziert seit Jahren zahlreiche Produkte, darunter auch Farben, Lacke und Putze. Nach Angaben des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) sind derzeit 635 Innenwandfarben, 1076 Lacke und 40 Innenputze mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Doch damit soll für viele dieser Malerprodukte ab 2021 Schluss sein. Die Vergabekriterien wurden geändert und so darf das Umweltzeichen künftig nicht mehr für Produkte vergeben werden, die Konservierungsmittel enthalten. Da aber die meisten lösemittelfreien, wasserbasierten Farben, Lacke und Putze Konservierungsmittel enthalten, werden wohl viele dieser Produkte den Blauen Engel verlieren.
Der VdL hat nun entschieden, ein brancheneigenes Gütesiegel zu entwickeln. Mit dem „Grünen Kleeblatt“ wurde jetzt ein eigenes Branchensiegel als Alternative zum Blauen Engel vorgestellt. Auf vielen Verpackungen und Eimern für Farben, Lacke und Putze im Innenraum dürfte daher künftig statt des „Blauen Engels“ ein „Grünes Kleeblatt“ zu finden sein. Wofür das „Grüne Kleeblatt“ steht und warum die Produktion konservierungsmittelfreier Farben nicht so einfach möglich ist, darüber sprach Malerblog.net mit Dr. Sandra Heydel, Referentin Nachhaltigkeit vom Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e.V.
Frau Heydel, warum entwickeln Sie mit dem „Grünen Kleeblatt“ ein neues Gütesiegel?
Klassische wasserbasierte Farben, Lacke und Putze benötigen zum Schutz vor Bakterien und Pilzen den Einsatz von Konservierungsmitteln. Dennoch schließt der „Blaue Engel“ künftig bestimmte Produkte von der Zeichenvergabe aus, wenn diese Konservierungsmittel enthalten. Eine Vielzahl von Farben und Putzen werden das Umweltzeichen daher verlieren. Um jenen Herstellern eine Alternative zu bieten, hat sich der VdL entschlossen, ein Gütesiegel zu entwickeln.
Wofür steht Ihr Siegel genau? Was ist die Basis für das Siegel?
Das neue Gütesiegel wird für schadstoffarme und qualitativ hochwertige Beschichtungsstoffe für Innenräume stehen. Die Vergabekriterien sind bereits in der VdL-Richtlinie 11 enthalten. Zum Schutz von Mensch und Umwelt schließt die Richtlinie bestimmte Inhaltstoffe wie CMR-Stoffe, Lösemittel und Schwermetalle bewusst aus. Darüber hinaus werden Anforderungen an Qualität und Gebrauchstauglichkeit festgelegt.
Welche Beschichtungsstoffe können das „Grüne Kleeblatt“ generell erhalten?
Das „Grüne Kleeblatt“ können Farben, Lacke und Putze erhalten, welche im Innenraum verarbeitet werden. Voraussetzung ist die Einhaltung der Anforderungen der VdL-Richtlinie 11. Dies wird durch eine Erstprüfung und regelmäßige Stichprobenprüfungen sichergestellt.
Wird der „Blaue Engel“ seine Relevanz komplett verlieren?
Der Blaue Engel bleibt für Verbraucher eine wichtige Orientierung bei der Auswahl umweltfreundlicher Produkte. Das Umweltzeichen können künftig konservierungsmittelfreie Innenwandfarben und -putze erhalten. Dies ist ein wachsender Markt, der mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Zunächst rechnen wir aber damit, dass bis zu 80 % der bisher ausgezeichneten Wandfarben den Blauen Engel verlieren werden.
Wie ist ihre Einschätzung bzgl. der Beschichtungsstoffe (Farben, Lacke, Putze), die den „Blauen Engel“ noch tragen? Werden die Hersteller in der Lage sein, ihre Produkte dem benötigten Standard anzupassen?
Die Entwicklung konservierungsmittelfreier Farben und Putze ist mit hohem Aufwand, Kosten und Zeit verbunden. Allein eine separate konservierungsmittelfreie Produktionsanlage zu errichten, ist mit Investitionen in Millionenhöhe verbunden. Insbesondere die kleinen und mittleren Hersteller der Branche können solche Investitionen nicht stemmen. Zudem ist ein kompletter Verzicht auf Konservierungsmittel in allen wasserbasierten Beschichtungsstoffen technisch gar nicht möglich. Klassische Farben, Lacke und Putze müssen, wie andere wasserbasierte Gemische auch, vor dem Befall durch Pilze und Bakterien geschützt werden.
Wie reagiert die Farbenindustrie?
Das Gütesiegel und dessen Vergabekriterien bauen auf einer VdL-Richtlinie auf. Diese beschreibt den aktuellen Stand der Technik und geht mit den geforderten Kriterien auch über gesetzliche Vorgaben hinaus. Ein Großteil der Hersteller hält die Anforderungen dieser Richtlinie bereits heute freiwillig ein. Durch die Verknüpfung der Richtlinie mit dem „Grünen Kleeblatt“ wollen wir eine verbindliche Zusage zur Einhaltung der Anforderungen erreichen. Unsere Hersteller haben diese Entscheidung durchaus positiv aufgenommen und wollen das Gütesiegel künftig nutzen.
Vielen Dank, Frau Dr. Heydel