Axel von der Herberg hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Als Stuckateurmeister stört ihn, dass kaum noch echte Stuckelemente aus Mörtel den Weg an Wand und Decke finden. Plastik-Stuck aus Polystyrol hat den herkömmlichen Stuck vom Markt nahezu verdrängt. Axel von der Herberg hat viel experimentiert und es ist ihm gelungen, echten Stuck vollmechanisch mit einer Maschine herzustellen. Seine Zierleisten sind so stabil, dass sie auf herkömmlichen Europaletten transportiert werden können. Auch im Preis ist dieser aus natürlichen Baustoffen und in Serie gefertigte Stuck durchaus konkurrenzfähig zu den Stuckleisten aus Polystyrol. Mit seinem Unternehmen AH Stuck GmbH ist Axel von der Herberg auf einem erfolgreichen Weg, der ihn sogar schon bis nach Saudi-Arabien führte. Malerblog.net sprach mit ihm über seinen Erfindergeist und seine Erfindung, die ihm bereits mehrere Preise einbrachte.
Herr von der Herberg, Sie stellen ökologischen Stuck her. Bitte erklären Sie, was das genau ist.
Stuck bedeutet per Definition: die plastische Ausgestaltung von Mörtel. Mörtel wird hergestellt aus Gips oder Kalk und Wasser, unter Umständen werden Zuschlagstoffe wie Sand und Fasern beigemengt.
Um Stuck klassisch herzustellen, wird Mörtel in der Manufaktur auf einen Werktisch aufgetragen und mit einer Schablone gezogen, um die entsprechende Kontur herzustellen. Ein homogener Verbund entsteht durch das Beifügen mineralischer Fasern. Ein aufwendiger Prozess, sein Gelingen ist oft abhängig vom Geschick des Stuckateurs. Angesiedelt im gehobenen Preissegment, da das Unikat im individuellen Kundenauftrag erstellt wird. Außerdem ist der Transport diffizil, da hier die Gefahr der Beschädigung droht.
Wir haben nun gemeinsam mit einer Hochschule einen Weg entwickelt, Stuck vollmechanisch mit einer Maschine herzustellen. Unsere Ornamente werden so erstellt, dass bei üblicher Handhabung nichts zerbricht. Den Stuck versenden wir europaweit als ein 100% natürliches Bauprodukt, zu einem wettbewerbsfähigen Preis. Ab 6 Euro je laufenden Meter bieten wir eine hochpräzise Stuckleiste. Wir verkaufen ein Stück Natur.
Wie unterscheidet sich Ihr Stuck von den gängigen Elementen, die am Markt zu kaufen sind und aus Polystyrol bestehen?
Eine Polystyrolleiste wird aus Erdöl gewonnen und ist somit nur ein „aufgehübschtes Stück Plastik“, ein Beiwerk. Es ist aber per Definition kein Stuck.
Die chemische Industrie hat es sehr gut verstanden, den positiv definierten Begriff Stuck, den wir sowohl als Material und als Berufsbezeichnung kennen, perfekt für sich zu nutzen. Stuck ist ein durchweg positiv belegter Gattungsbegriff, den wir oft mit alten Kirchen oder exponierten Häusern in Verbindung bringen. In unserem Gehirn ist verhaftet, dass dieses Material edel und exklusiv ist und im Premiumbereich angesiedelt ist.
Zierrat aus Polystyrol wird in einem kostenintensiven, chemischen Prozess aus Erdöl gewonnen. Das Material ist brennbar. Außerdem ist Erdöl eine endliche Ressource und die sollte nicht für die Herstellung von Kunststoff-Ornamenten verwendet werden.
Unser Material hingegen ist ein reines Naturprodukt. Es wird auf eine ressourcenschonende Art hergestellt und ist baubiologisch völlig unbedenklich und damit auch für Asthmatiker und Allergiker geeignet.
Es kann mit sämtlichen gängigen Oberflächenbeschichtungsverfahren, entlang dem Produktlebenszyklus mehrmals behandelt werden. Es ist ein massives, nichtbrennbares Produkt mit einem positiven Einfluss auf ein wohngesundes Raumklima, da „unser“ Material eine feuchtigkeitsregulierende Wirkung hat. Außerdem ist es sehr leicht zu montieren.
Ich würde gut abwägen, ob ich Plastik in meiner Wohnung montiere, wenn ich eine natürliche, bezahlbare Alternative haben kann. Vor allem dann, wenn diese nur unwesentlich mehr kostet als eine Plastikvariante. Aus diesem Grund ist es für mich nicht nachvollziehbar, wie gelernte Stuckateurmeister ihren Kunden Plastikleisten anbieten, nur weil dies subjektiv die einfachere, vermeintlich günstigere Offerte darstellt.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen ökologischen Stuck maschinell herzustellen?
Ich bin gelernter Stuckateurmeister und wollte immer mein eigenes Ding machen, natürlich mit einem entsprechend fachlichen Hintergrund. Ich wollte immer eine Herausforderung annehmen und eigenständig sein. Ich fand es schon in meiner Ausbildung „klasse“ mit meinen Händen etwas zu erschaffen, kreativ zu wirken und meinen Kopf zu gebrauchen. Nachdem ich meine Meisterausbildung absolviert hatte, gründete ich 1992 einen eigenen Betrieb.
In meiner Werkstatt habe ich dann abends experimentiert. Ich wollte sehen, ob es wirtschaftlich möglich ist, die Preisdifferenz von Stuck zu Polystyrol-Produkten zu minimieren. Natürlich habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht an die Entwicklung einer Maschine gedacht.
Ich habe Stuck gezogen und weiter experimentiert. Für zahlreiche Aufgabenstellungen konnten wir zufriedenstellende Lösungen erarbeiten, nur den Stuck zerstörungsfrei aus der Form zu bringen, war etwas kniffliger.
Schließlich habe ich es geschafft mit einem systematischen Prozess Stuck mit geringen Kosten herzustellen. Das ist eine epochale Entwicklung für alle Stuckateure, Maler und Raumausstatter, denn wir können mit unserer maschinellen Produktion der Stuckerstellung die Kosten für Stuck um etwa 60% reduzieren.
Wie haben Sie das Produkt in den Markt gebracht und wer sind die Kunden?
Angefangen hat alles auf der IHM 2014 in München, wo wir durch die spezielle Förderungen von Innovationen des Bundesministeriums für Wirtschaft, ausgestellt haben. Damit war uns die deutschlandweite Berichterstattung sicher. Es gab eine sehr erfreuliche Resonanz. In Süddeutschland haben wir mit dem Vertrieb angefangen, wo nach unserer Marketingstudie die Kaufkraft am höchsten ist.
Mittlerweile liefern wir ins deutschsprachige Ausland, nach Österreich und Belgien. Weitere Ziel sind die Länder der Europäischen Union. Unsere Kunden sind Handwerker, Architekten, Bauunternehmer und der klassische Fachhandel. Natürlich haben wir auch exklusive Händler für definierte Vertriebsgebiete. Mittlerweile sind wir ziemlich gut unterwegs.
Wir haben eine Modulbox für den Fachhandel entwickelt, acht verschiedene Modelle mit insgesamt 510 Meter Stuck für nur 1.499,- Euro. Damit sind wir preislich gesehen wettbewerbsfähig, haben aber qualitativ einen wesentlich höheren Anspruch.
Sie haben sich Ihren Markt vorher sehr genau angeschaut und mit der dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn zusammen gearbeitet. Erzählen Sie uns wie es dazu kam.
Als ich gemerkt habe, dass wir maschinell in der Lage sind, systematisch Stuck zu produzieren, habe ich mich gefragt, wie ich das kaufmännisch auf die Reihe bekomme? Immerhin muss das Produkt ja auch verkauft werden. Mir war schnell klar, dass weitere kaufmännische Kenntnisse von außerhalb äußerst hilfreich wären. Mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Heilbronn, hatte ich den optimalen Kooperationspartner.
Eine sehr interessante Aufgabe für die renommierte Hochschule, immerhin trat ein „David“ mit seinem Naturprodukt gegen das Industrieprodukt von „Goliath“ an. Üblicherweise werden große Unternehmen in Studien begleitet, in meinem Fall war es ein Handwerksbetrieb und die Umsetzung der Marketing-Maßnahmen war im täglichen Geschäftsbetrieb nachvollziehbar. Daher was das Interesse seitens der Hochschule groß, mein Unternehmen in einer Studie zu begleiten, um entsprechend Ergebnisse bei der Umsetzung realisieren zu können. Gemeinsam haben wir eine Strategie zur Markteinführung und ein detailliertes Vertriebskonzept erarbeitet. Mit der Hochschule wurden Image, potenzielle Kunden- und Marktsegmente, der deutsche Baustoffmarkt, die Produktbeschaffenheit und das Preis- Leistungsverhältnis analysiert.
Für diese umfangreiche Kooperation haben wir vor wenigen Wochen den Technologie-Transfer-Preis erhalten. Für mich war es bereits der 4. Preis, für die Hochschule allerdings der Erste.
Sie haben in den letzten zwei Jahren mehrere Preise gewonnen. Was bedeuten Ihnen diese Preise?
Ich bin stolz, für die im Team geleistete Arbeit, stellvertretend Preise entgegennehmen zu dürfen. Beim Bundespreis 2014 habe ich bereits gesagt: „Das ist der Oskar des Handwerks“. Doch ich habe diese Preise nicht gewonnen, ich bekomme sie nur verliehen. Die Wertschätzung aus Fachkreisen und die mediale Berichterstattung lassen mich nicht ruhen, nicht nachzulassen und weitere Innovationen für Handwerk und Handel zu entwickeln. Mein Produkt schont die Ressourcen, Öl dagegen geht irgendwann zur Neige. Nachhaltiges Produzieren bedeutet Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft und entspricht somit unserem Zeitgeist.
Sie waren gerade in Saudi-Arabien. Was haben Sie dort gemacht?
Ich habe dort einen Vortrag über die gesamte Bandbreite der kreativen Stuckgestaltung vor der Chamber of Commerce and Industry der Vereinigten Arabischen Emirate gehalten. Immerhin hat Stuck seinen Ursprung in dieser Region. Etwa 15000 Jahre v. Chr. wurde zwischen Euphrat und Tigris, dem heutigen Irak, bereits gebrannter Gips an Wänden mit bloßen Händen aufgetragen. Bereits damals konnten die Künstler ihrer Zeit mit einfachen Mitteln eine imposante plastische Wirkung entfachen.
Die Delegationsreise unter Leitung des Wirtschaftsministers Dr. Nils Schmid war eine spannende Erfahrung. Im Hinblick auf die Expo 2020 in Dubai und die Fußball WM 2022 in Katar gibt es in diesen Ländern ein großes Potential. Viele Hotels und weitere Projekte im Infrastrukturbereich werden realisiert, vor allem im gehobenen Bereich.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich bin immer noch hungrig und kreativ und habe noch einiges vor. Eine meiner Ideen ist es, vereinfacht gesagt, unsere Produktionseinheit an die Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage (REA) eines Kraftwerks zu hängen.
Eine weitere Innovation, an der ich arbeite, ist eine Hybrid-Komponente aus Gips mit einem Alleinstellungsmerkmal zu kreieren. Wir arbeiten daran, in unseren Stuck bereits während der Herstellung LED-Leuchtmittel einzubauen. Im privaten Bereich ist die Kopplung mit einer Timer- oder Dimmfunktion ebenso denkbar wie der ferngesteuerte Farbverlauf in Regenbogenoptik bzw. die Kopplung mit der musikalischen Raumbeschallung. In sicherheitsrelevanten Bereichen ist eine Systemsteuerung mit Bewegungsmeldern geplant. In öffentlichen Bauten, wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen gibt es Ansätze, wie stuckintegrierte Beleuchtung gezielt genutzt werden kann, um Menschen im Notfall, nonverbal auf schnellstem Wege aus der Gefahrenzone zu geleiten. Es gibt also noch einiges zu tun. Hierauf freue ich mich und arbeite daran.
Herr von der Herberg, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Fotos: AH Stuck GmbH