Das Maler- und Stuckateurhandwerk ist ein männerdominiertes Handwerk – das ist nun mal Fakt. Schaut man sich die Zahlen derjenigen an, die sich jährlich ausbilden lassen, sprechen diese eine eindeutige Sprache. Unter bundesweit 14.173 Auszubildenden zum Maler und Lackierer waren 2019 nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks lediglich 2.139 Frauen.
Warum wollen so wenige junge Frauen also diesen handwerklichen Beruf ergreifen? Das lässt sich nicht so einfach beantworten und hat sicher verschiedene Gründe.
Herzblut und eine große Portion Ehrgeiz
Dennoch gibt es starke Frauen, die im Malerhandwerk sehr erfolgreich sind, die mit Herzblut und Leidenschaft ihrer Berufung nachgehen und jeden Tag aufs Neue nicht nur ihre Position behaupten, sondern auch eine ganz eigene entwickeln. Der Weg in die eigene Selbständigkeit ist für sie die Verwirklichung der eigenen kreativen Ideen und die Erfüllung eines Traums. Dass dieser Weg nicht immer mit rosaroten Wattebäuschchen ausgelegt ist, wird vielen klar sein.
Wer sich als Frau im Handwerk einen Namen machen will, benötigt Ehrgeiz, einen starken Willen und ein dickes Fell. Die Anerkennung beim Kunden, Kollegen und Umfeld muss sich erst einmal erarbeitet werden. Dann kommt der gute Ruf aber irgendwann von ganz allein. Diese Erfahrung teilen zwei Frauen, die sich jeweils als Malerin und weibliche Führungskraft einer noch immer männerdominierten Branche gegenüber sehen.
Zwei Generationen – eine Erfahrung
Für Malermeisterin Carla Rühl aus dem hessischen Fernwald bei Gießen liegt die Ausbildungszeit schon ein paar Jahr zurück. Seit 39 Jahren übt sie ihren Beruf mit Leidenschaft und Hingabe aus. Den von ihrem Großvater gegründeten Malerbetrieb hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann schon Anfang der 90er Jahre von ihrem Vater übernommen. Mittlerweile schwingt ihr Sohn Ingo das Zepter im Unternehmen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ heißt es landläufig. Dass dies für Frauen umso mehr gilt, kann Carla Rühl aus eigener Erfahrung berichten. „Man muss immer ein Quäntchen besser sein als ein Mann“, sagt sie und fügt hinzu: „Vor allem in der Gesellen- und auch Meisterausbildung wird bei den Damen genau hingeschaut, zumindest zu meiner Zeit.“
Doch wer glaubt, dies sei tatsächlich ein Erfahrungssatz aus vergangener Zeit, wird schnell eines Besseren belehrt. So berichtet Daniela Palinkas, eine seit 2015 selbständige, junge Malerunternehmerin aus Öhringen in Baden-Württemberg, von ähnlichen Erfahrungen: „Als Frau im Handwerk muss man mehr tun als ein Mann, man muss vor allem mit Leistung und Know-How überzeugen, um anerkannt zu werden.“ In Bezug auf die Geschlechterrollen finde hier zwar gerade ein Umdenken statt, es brauche aber noch einige Zeit, bis das auch überall angekommen sei, schildert sie ihren Eindruck.
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Daniela Palinkas: „Als Frau muss man im Handwerk sehr tough sein.“ |
Qualifikation und Know-How entscheiden
Doch Frau wäre nicht Frau, wenn sie sich den nötigen Respekt nicht erarbeiten würde. Das gilt nicht nur in Bezug auf die männlichen Malerkollegen, sondern auch in Bezug auf die Kundschaft. Meist kommen fragende Blicke, erstaunte Kundenaugen oder die Frage, wann denn der Chef endlich komme, nur ganz zu Beginn, wissen beide Frauen übereinstimmend zu erzählen. „Ich wurde nur einmal am Anfang meiner Tätigkeit gefragt, wann der starke Mann kommt“, berichtet Rühl und auch Palinkas bestätigt, diesen Fauxpas seitens der Kundschaft nur anfänglich erlebt zu haben.
Es tritt eine Art „Lerneffekt“ ein. Die Menschen gewöhnen sich daran, dass Frauen auch im Handwerk Führungspositionen einnehmen und diese auch professionell ausfüllen können. Wenn das fachliche Wissen passt und der Umgang miteinander stimmt, verstummen auch die letzten Skeptiker. „Ich habe mir den Respekt seitens Kunden und Mitarbeitern erarbeitet“, sagt Rühl und meint weiter: „Meine Leute wissen, was ich kann und dass ich mir auch mal den weißen Anzug anziehe und produktiv mitarbeiten kann, so wie jeder andere auch. Gleiches gilt auch für unsere Kunden.“
Wenn man Palinkas zuhört, merkt man auch ihr an, dass sie angekommen ist und sich mit Mitte 30 bereits ihren festen Platz erarbeitet hat: „Ich habe mir meinen Ruf und den dazu gehörigen Respekt hart erarbeitet, mit Durchhaltevermögen und kreativem Können.“ Und der eilt ihr mittlerweile voraus, denn jeder weiß, dass „die Daniela immer eine Lösung hat und das schon machen wird.“
Miteinander statt gegeneinander
Frauen sind keine kleinen Männer. Sie gehen Dinge anders an und setzen Dinge oft anders um – so auch im Malerhandwerk. Schon allein der körperliche Aspekt beschränkt Damen zum Beispiel Außenputzbeschichtungen im Akkord zu vollziehen oder andere schwere Arbeiten zu verrichten. Aber das müssen sie auch gar nicht. Es gibt so viele unterschiedliche Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, die dieses Handwerk bietet. Malerarbeiten sind vielseitig. So hat sich Daniela Palinkas zum Beispiel auf kreative Arbeiten im Innenbereich spezialisiert und sich hier einen Namen gemacht. Carla Rühl hat sich in ihrer Laufbahn ebenfalls mit Dingen auseinandergesetzt, die ihr liegen, wie zum Beispiel der Farbberatung: „Man muss nicht alles können“, meint sie, „Jeder hat sein Fachgebiet und dafür wird er auch eingesetzt.“ Genauso geht sie jetzt mit dem weiblichen Nachwuchs um. Zwei motivierte Gesellinnen arbeiten im Betrieb und ergänzen dort perfekt die männlichen Kollegen.
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Carla Rühl: „Mir macht der Job nach wie vor richtig viel Spaß.“ |
Weibliche Fähigkeiten nutzen
Dass Frauen oft aufmerksamer und einfühlsamer als ihre männlichen Mitstreiter sind, kommt ihnen bei der Kundenberatung zugute. Es ist eben genau diese Empathiefähigkeit, die das gewisse Etwas ausmacht. Sie wissen meist genau, wie sie mit Kunden umgehen müssen, um den Auftrag zu bekommen. „Ich glaube, dass Frauen besser schlichten können“, sagt Palinkas und meint dann weiter: „Gerade bei einer Beratung, wo beide, also Mann und Frau, gleichberechtigt entscheiden wollen, habe ich ein Ass im Ärmel, das ich auch ausspiele. Das kann ich gut.“ Ein einfacher, aber wirkungsvoller Spruch, den ihr ein älterer Kollege mal verriet, wirke wahre Wunder, so die junge Frau: „Der Slogan ‚Happy wife, happy life‘ einem Mann gegenüber geäußert, funktioniert sehr oft, vor allem dann, wenn der Herr Humor besitzt“, erklärt Palinkas.
Carla Rühl ist ebenfalls davon überzeugt, dass Frauen Dinge anders sehen und wahrnehmen, so sagt sie von sich, Renovierungen mit „zwei unterschiedlichen Arten von Augen zu sehen.“ „Ich habe einmal den Blick der Handwerkerin und dann den einer Hausfrau. Deshalb weise ich meine Mitarbeiter darauf hin, die Ritzen besonders gut abzukleben und auch das Schlüsselloch zuzukleben und einfach sauberer abzudecken. Das sind einfach Erfahrungswerte, die dann auch jeder Mann versteht und mir letztendlich Recht gibt.“ Aus diesem Aspekt heraus empfiehlt sie ihren Kunden auch schon mal den pflegeleichteren Boden anstatt den, an dem sie vielleicht sogar mehr Geld verdienen könnte. Durch diese Arbeitsweise konnte ein echtes Vertrauen zu den Kunden aufgebaut werden, ein „Urvertrauen“, wie Rühl es nennt.
Die Erfahrungsberichte der beiden Handwerkerinnen zeigen deutlich: In dem noch immer männerdominierten Malerhandwerk können Frauen durchaus erfolgreich ihren Weg gehen. Bis heute ist dies aber mit zusätzlicher Kraftanstrengung und viel Überzeugungsarbeit verbunden. Hier wird sich nicht nur etwas in den Köpfen der männlichen Handwerkskollegen ändern müssen, sondern auch gesamtgesellschaftlich muss endlich ein Umdenken stattfinden. Handwerk wird bis heute von vielen Menschen noch immer mit körperlicher Schwerstarbeit in Verbindung gebracht. Doch nicht nur die Technik ist in den letzten Jahrzehnten vorangeschritten und trägt zur körperlichen Entlastung bei. Vor allem das Malerhandwerk hat viele Facetten und lässt Frauen ausreichend Raum, sich und ihre Kreativität voll zu entfalten. Malerbetriebe, die dem weiblichen Nachwuchs eine Chance geben und um weibliche Fachkräfte werben, werden von dieser Entscheidung sicher profitieren.