Vor wenigen Tagen verständigte sich der Koalitionsausschuss in Berlin auf die Auszahlung einer sogenannten „Energiepreispauschale“. Die Energiepreispauschale ist Teil eines von der Bundesregierung geschnürten „Entlastungspakets“, das die Folgen der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Kostenexplosionen am Energiemarkt für Verbraucherinnen und Verbraucher abfedern soll.
Wann die Energiepreispauschale ausgezahlt wird, steht derzeit noch nicht fest. Es soll aber noch im Jahr 2022 der Fall sein. Eins ist aber klar: Die Regierungskoalition hat den Arbeitgebern dabei eine besondere Rolle zugedacht. Und diese Rolle hat mit Entlastung rein gar nichts zu tun.
Energiepreispauschale – Was bedeutet das konkret?
„Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) wird einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt,“ so ist es schwarz auf weiß in dem veröffentlichten Ergebnispapier der Koalitionäre zu lesen. Ein paar Sätze weiter heißt es dann: „Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers bzw. des Dienstherren. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer.“
Privater Arbeitgeber als verlängerter Arm des Staates?
Es ist also vorgesehen, dass Arbeitgeber im Rahmen der monatlichen Lohnabrechnung das staatliche Geldgeschenk in Höhe von pauschal 300 Euro pro Kopf an ihre Beschäftigten auszahlen. Unklar ist dabei, wie der Zusatz „Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer“ zu verstehen ist. Soll der Arbeitgeber von dem Geldgeschenk des Staates „Lohnsteuer“ berechnen und abführen? Die Pauschale ist weder Lohn noch Lohnersatz. Für Festsetzung und Erhebung der Einkommensteuer ist an und für sich das Finanzamt und nicht der Arbeitgeber zuständig. Da aber nicht jeder Beschäftigte eine Einkommensteuererklärung am Jahresende abgibt, darf wohl davon ausgegangen werden, dass die Regierungskoalition davon ausgeht, dass der Arbeitgeber die Pauschale im Rahmen der Lohnabrechnung den Regeln der Lohnbesteuerung zu unterwerfen hat.
Die nächste ungeklärte Frage lautet: Woher kommt das Geld, das der Arbeitgeber auszahlen soll? Wird erwartet, dass der Arbeitgeber diese staatliche Leistung vorfinanziert? Bei einem 10-Mann-Betrieb wären dies immerhin 3.000 Euro. Hierzu schweigt das Koalitionspapier ebenfalls. Im besten Fall wird die Auszahlung wohl direkt mit der fälligen Lohnsteuer verrechnet werden. Damit eine solche Verrechnung jedoch umgesetzt werden kann, müssten die Hersteller von Lohnsoftware ihre Abrechnungslösung aktualisieren. Und genau dies bringt uns zu einer weiteren, unbeantworteten Frage: Wer zahlt dem privaten Arbeitgeber, dem privaten Unternehmen, all seine Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erfüllung einer Staatsaufgabe stehen. Das Lohnbüro – egal, ob im eigenen Haus oder beim Steuerberater – wird diese „lohnfremde“ Dienstleistung sicher nicht „for free“ erbringen. Warum sollten sie für umsonst arbeiten? Ist geplant, den Arbeitgebern eine angemessene Entschädigung zu zahlen? Auch hierzu schweigt das Papier.
Um es einmal klar zu formulieren: Privatwirtschaftliche Unternehmen sind keine Staatsunternehmen und wir leben in keinem kommunistischen Land, das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht kennt und von der Prämisse ausgeht, dass der Staat allein bestimmt, wer welche Aufgabe zu erfüllen hat. Privatwirtschaftlichen Unternehmen obliegt die Aufgabe, Gewinn zu erwirtschaften. Doch dieser Gewinn schmilzt mit zunehmender Bürokratie dahin. Denn Bürokratie ist ein Synonym für Kosten. Es mag gute Gründe geben, private Arbeitgeber mit in die Verantwortung zu nehmen und sie – wie beispielsweise in der Coronapandemie – (temporär) mit Pflichten zu belegen, die geeignet erscheinen, die Pandemie einzudämmen. Hier sei nur beispielhaft auf die Testangebotspflicht oder die 3G-Zutrittskontrolle verwiesen. Beide Maßnahmen dienen zudem dem Arbeitsschutz. Es ist aber nicht Aufgabe privater Arbeitgeber staatliche Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (!), an ihre Angestellten und Arbeiter auszuzahlen. Eine derartige Verpflichtung von privaten Arbeitgebern erscheint verfassungsrechtlich mehr als fraglich.
In den Ohren von Arbeitgebern klingt es wie Hohn, wenn in dem Koalitionspapier zu lesen ist, dass durch diese Maßnahme die Mitte der Gesellschaft „unbürokratisch“ entlastet werden soll. Für Arbeitgeber ist dies alles andere als unbürokratisch. Für sie ist es eine Zusatzbelastung ohne jeden Gegenwert.
Doch damit noch nicht genug. Die geplante Auszahlung der Energiepreispauschale kommt nach den Plänen der Koalition wohl nicht als „Eintagsfliege“ daher. Es hat den Anschein, dass beabsichtigt wird, sich künftig noch öfter privater Arbeitgeber zur Auszahlung staatlicher Leistungen zu bedienen.
Aufgepasst: Nach der Energiepreispauschale kommt das Klimageld
Die Rede ist von dem sogenannten „Klimageld“. Das soll eine Art pauschalisierte Rückzahlung der erhobenen CO2-Preisabgabe sein. Dass es ein Klimageld geben soll, darüber hatten sich die Regierungsparteien bereits im Koalitionsvertrag verständigt. Nur der Auszahlungsweg war noch unklar. In dem aktuellen Koalitionspapier ist am Ende der Ausführungen zur Energiepreispauschale zu lesen: „Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, wird die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln.“ Damit dürfte klar sein, dass die Auszahlung der Energiepreispauschale durch private Arbeitgeber als Kickoff gesehen wird. Ist der Weg erst beschritten, werden private Arbeitgeber künftig vermutlich regelmäßig zur Auszahlung von staatlichen Leistungen und damit zur Erfüllung von Staatsaufgaben herangezogen werden.
Die beabsichtigte Auszahlung der Energiepreispauschale über die Arbeitgeber darf als Versuchsballon betrachtet werden, um die Bereitschaft der Privatwirtschaft auszutesten, staatliche Aufgaben ohne Murren und ohne Dankeschön auszuführen. Widerspruch ist angebracht – und zwar von Anfang an!