Der Koalitionsvertrag spricht klare Worte und jetzt geht’s an die Umsetzung. Der vor kurzem gefasste Beschluss des Bundeskabinetts zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge kam daher nicht überraschend.
Ist halbe-halbe gerecht?
Derzeit wird der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig getragen. Jede Kasse erhebt zudem einen individuellen Zusatzbeitrag, der von den Arbeitnehmern allein getragen wird. Das soll sich ab 1. Januar 2019 ändern. Nach dem vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten Gesetzesentwurf soll ab diesem Zeitpunkt auch der kassenindividuelle Zusatzbeitrag zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden. SPD-Parteichefin Andrea Nahles wird in zahlreichen Medienberichten mit dem Satz zitiert „Halbe-halbe ist gerecht.“ Aber ist das wirklich so? Oder täuscht der erste Eindruck?
110 gesetzliche Krankenkassen
Für mehr als 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen bedeutet die Rückkehr zur paritätischen Beitragszahlung zweifellos eine Entlastung. Eine breite Wählerbasis sagt „Danke“.
Und die Arbeitgeber? Sie haben keinen Einfluss auf die Kassenwahl ihrer Arbeiter und Angestellten. Somit haben sie auch keinen Einfluss auf die Höhe des anfallenden Zusatzbeitrages, den sie ab dem Jahr 2019 hälftig tragen müssen. Der Arbeitnehmer genießt die Wahlfreiheit. Er hat die freie Wahl zwischen den Krankenkassen. Zu Beginn des Jahres 2018 gab es in Deutschland laut dem GKV-Spitzenverband 110 gesetzliche Krankenkassen. Jede dieser Kassen erhebt einen individuellen Zusatzbeitrag. Der Zusatzbeitragssatz variiert stark von Kasse zu Kasse und reicht derzeit von 0,3 bis etwa 1,7 Prozent. Je nach Kassenwahl des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber künftig mehr oder weniger zu zahlen. Oder anders ausgedrückt: Trotz gleichen Bruttolohns wird er künftig für den einen Mitarbeiter tiefer in die Tasche greifen müssen als für den anderen.
Nicht dem Trugschluss erliegen
Jetzt könnten schlaue Unternehmerfüchse auf die Idee kommen, ihre Mitarbeiter für eine Kasse mit einem günstigen Zusatzbeitrag zu begeistern. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn nicht immer bedeutet ein günstiger Zusatzbeitrag für den Arbeitgeber auch günstigere Lohnnebenkosten. Denn neben dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag fallen auch kassenindividuelle Umlagesätze an. Betriebe mit weniger als 30 Mitarbeitern müssen in der Regel am U1- und U2-Verfahren teilnehmen. Diese Umlageverfahren sind eine Art „Versicherung“, die einspringt, wenn der Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit oder Mutterschaft leisten muss. Doch die Umlagesätze variieren von Kasse zu Kasse ebenfalls erheblich. Während im U1-Verfahren beispielsweise die AOK Hessen bei einem Erstattungssatz von 50 Prozent derzeit einen Umlagesatz von 1,3 Prozent erhebt, liegt dieser bei der IKK Classic bei 1,7 Prozent und der IKK GesundPlus bei 2,3 Prozent. Diese Umlagesätze sind allein vom Arbeitgeber zu tragen. Steigen die Umlagesätze sind dem Arbeitgeber die Hände gebunden. Während ein Unternehmer eine KFZ-Versicherung für seine Firmenautos bei steigenden Beitragszahlungen kündigen und zu einer günstigeren wechseln kann, ist dies hier nicht möglich.
Dies zeigt schnell: Die Wahl der Krankenkasse durch den Arbeitnehmer bestimmt letztendlich die Höhe der Lohnzusatzkosten für den Arbeitgeber. Ist das gerecht?