Da ist der Streit über den Bürokratiezuwachs, den das Mindestlohngesetz den Unternehmen seit Jahresbeginn beschert, noch nicht beigelegt, braut sich schon das nächste Übel zusammen: Der Entwurf der neuen Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) aus dem Hause von Bundesarbeitsministerin Nahles sorgt seit Tagen für große Aufregung. “Bürokratischer Irrsinn in Absurdistan“ so faßte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in einem Positionspapier die Leistung des Bundesarbeitsministeriums zusammen und zog damit den Unmut Nahles auf sich (siehe Beitrag auf faz.net: SPD-Nahles: „Das ist ein Angriff auf meine Person“). Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hatte bereits im November 2014 eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt und nicht mit Kritik und Forderungen gespart.
Lächerlich, teuer und nicht praxisgerecht
Die Arbeitsstättenverordnung schreibt Arbeitgebern vor wie sie die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter zu gestalten haben, um so Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst zu vermeiden. Das ist auch richtig und gut so. Arbeitsschutz hat sich seit Jahrzehnten in Deutschland bewährt. Im Wohlstandsland Deutschland weiß man aber offensichtlich nicht mehr, was man noch alles regeln soll und so werden neue Vorschriften schnell zu einer Posse.
Die Hitliste der in der Verordnung aufgeführten neuen Gestaltungspflichten dürfte von folgendem Wahnwitz angeführt werden: Toiletten-, Pausen- und Erste-Hilfe-Räumen sind mit einer „Sichtverbindung nach außen“, sprich mit einem Fenster, auszustatten. Warum denn das? Selbst in den eigenen vier Wänden leben viele Menschen mit künstlichem Licht im Bad. Und Sonnenschein in der Teeküche? Schmeckt dann der Tee oder Kaffee besser? Oder droht am Ende beim Kaffeetrinken ohne Tageslicht eine Gesundheitsgefahr? Hierüber staunte auch Bundesfamilienministerin a.D., Kristina Schröder, nicht schlecht und hat auf Twitter ein Foto einer Teeküche im Bundestag gepostet. Und siehe da: Kein Fenster und kein Sonnenlicht! Vielleicht wollte der Verordnungsgeber genau diesen „Mißstand“ beheben? Hierüber kann nur spekuliert werden…
Der Bundesrat, der der Verordnung zustimmen muß, erteilte der Sichtverbindung nach außen für Toiletten- und Erste-Hilfe-Räume eine klare Absage. Damit dürfte diese wohl vom Tisch sein. Bei den Fenstern in Teeküchen bleibt es aber wohl. Und es kommt noch viel absurder: Bei der Kleiderablage setzte der Bundesrat sogar noch eins drauf. Während der Verordnungsentwurf nur eine Kleiderablage für jeden Mitarbeiter vorsieht, wünscht der Bundesrat eine „abschließbare“ Kleiderablage. Somit wird aus einer Kleiderablage ein Kleiderspind. Hier reibt man sich ungläubig die Augen und versteht Sinn und Zweck der Aktion nicht. Offenbar macht sich kein Politiker oder Ministerialbeamter auch nur im mindesten Gedanken darüber, daß in den Unternehmen für die neu zu schaffenden Kleiderschränke Stellflächen geschaffen werden müssen. Und was das alles kostet, interessiert offenbar auch nicht.
Das Bundeskabinett muß die Verordnung noch beschließen. Dies könnte in der kommenden Woche bereits der Fall sein. Auf Nachfrage von Malerblog.net teilte das Bundesarbeitsministerium mit, die Verordnung sei kabinettreif. Demzufolge sind wohl keine umfangreichen Änderungen geplant. Laut Medienberichten regt sich in der Unionsfraktion Widerstand. Bleibt abzuwarten, wie sich in den nächsten Tagen die kontroversen Standpunkte in der großen Koalition formieren.
Sollte sich ein Politiker über die zunehmende Politikverdrossenheit wundern, gibt’s darauf nur eine Antwort: „Alles hausgemacht!“
Empfohlene Downloads zum Thema:
Verordnungsentwurf der Arbeitsstättenverordnung
Beschluß des Bundesrates vom 19.12.2015
Stellungnahme ZDH zum Verordnungsentwurf der Arbeitsstättenverordnung
Nachtrag vom 3. Februar 2015: Entscheidung über die Arbeitsstättenverordnung vertagt.
Nach einer aktuellen Meldung von stern.de wurde die Entscheidung über die Arbeitsstättenverordnung vertagt. Die heftige Kritik an der geplanten Arbeitsstättenverordnung dürfte dazu geführt haben, daß diese nicht wie ursprünglich geplant auf der Tagesordnung der morgigen Kabinettsitzung erscheint. Selbstbewußt hatte das Bundesarbeitsministerium vor wenigen Tagen noch verkündet, die Verordnung sei kabinettreif.
Für Bundesarbeitsministerin Nahles hat das neue Jahr nicht gut begonnen. Bereits beim Mindestlohn mußte sie in der letzten Woche Zugeständnisse beim Transitverkehr machen. Und auch die mit dem Mindestlohn eingeführten Dokumentationspflichten sind heftig umstritten (siehe Malerblog-Beitrag: Mindestlohngesetz auf dem Prüfstand! Bürokratie-Korrektur in Aussicht.)