Momentan herrscht ein regelrechter Auftragsboom in Deutschland. Bei sehr vielen Maler- und Stuckateurbetrieben „brennt die Hütte“. Es gibt extrem viel zu tun, Aufträge sind zahlreich vorhanden, für viele Unternehmen weit bis ins Frühjahr hinein. Neue Anfragen zu Renovierungsarbeiten können vielfach aufgrund von Zeit- und teilweise auch Materialengpässen erst gar nicht angenommen und ausgeführt werden. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans-Peter Wollseifer, sprach in einem Interview, das er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab, davon, dass im 3. Quartal 2021 die Auftragsreichweite im Bauhauptgewerk bei etwa 14 Wochen und in den Ausbaugewerken bei etwa 11 Wochen betragen habe. Für potenzielle Handwerkskunden bedeutet dies lange Wartezeiten. Die Kunden müssen vertröstet, ein Neuauftrag vielleicht sogar abgelehnt oder weit ins Jahr geschoben werden.
Das ist nicht nur für die anfragenden Kunden unbefriedigend. Für das eigene Empfinden des Handwerksunternehmers mag das ebenso schlimm sein. Einen potenziellen Auftrag nicht annehmen zu können, weil die Zeit fehlt, erfüllt niemanden mit Genugtuung. Immerhin schlägt man so einen möglichen Umsatz und damit vielleicht einen satten Gewinn aus. Andererseits bietet die aktuelle Situation dem Handwerksunternehmer auch die Chance, sich die lukrativsten der lukrativen Aufträge auszusuchen. Und genau diese Chance sollte jetzt genutzt werden.
Die „besten“ Aufträge annehmen
Unterm Strich zählt der Ertrag. Das setzt natürlich eine entsprechend genaue Kalkulation voraus. Nicht die Größe des Bauvorhabens und auch nicht das Volumen sind letztendlich entscheidend. Das, was übrigbleibt, also der Gewinn, ist ausschlaggebend für die Auswahl der Aufträge. Wer als Unternehmer noch immer Pi mal Daumen „kalkuliert“ weiß oft gar nicht wie unrentabel der Auftrag ist, den er gerade freudestrahlend angenommen hat. Clevere Unternehmer hingegen wissen bereits im Voraus, ob sich der Auftrag lohnt oder nicht. Im digitalen Zeitalter ist dieses Wissen auch keine Hexerei mehr wie der Malerblogartikel „Zielkalkulation: Preisfindung leicht gemacht“ zeigt.
Doch aufgepasst: Nicht jeder gewinnbringende Auftrag ist auch ein sich lohnender Auftrag. Vor allem in Zeiten, in denen die Kunden Schlange stehen, sollte schon etwas genauer hingesehen werden. Abgesehen von der Tatsache, dass unterm Strich etwas übrigen bleiben sollte, muss auch im Vorfeld klar sein, ob die Größenordnung des Auftrags oder die geforderte Malerleistung zum eigenen Betrieb passt und „unfallfrei“ ausgeführt werden kann. Große „Objekte“ sind auch für kleinere Malerunternehmen als Prestigeobjekt oft reizvoll. Überlasten sie jedoch den Betrieb in Ausführung und Abwicklung, ist weder dem Betrieb noch dem Kunden geholfen. Die Freiheit, dies zu bedenken, und sich nicht unnötig Ärger ins Haus zu holen, haben die Betriebe derzeit. In einer weiterhin boomenden Baubranche haben sie die Wahlfreiheit. Diese Chance sollten sie nutzen und bereits bei der Bearbeitung von Angebotsanfragen die „Spreu vom Weizen“ trennen.
Die Angst NEIN zu sagen
Doch wer diese Chance nutzt, muss auch „Nein“ sagen können. Das klingt einfach, ist es aber für viele nicht. Nein ist ein mächtiges Wort, das niemand gern hört und dem etwas Endgültiges innewohnt. Der Unternehmer weiß um die Macht dieses Wortes. Daher sagen Unternehmer oft Kunden nicht ab, weil sie fürchten diese mit einem „Nein“ für immer zu verärgern oder zu verprellen. Schlimmstenfalls machen sie den Auftrag noch irgendwie möglich, obwohl sie wissen, dass er unwirtschaftlich ist. Doch mit einem Nein werden Kunden nicht per se verprellt. Allein die Kommunikation entscheidet darüber wie ein „Nein“ beim Kunden ankommt. Manchmal gibt es eben gute Gründe, einen Auftrag abzulehnen und das kann und darf jeder Malerunternehmer guten Gewissens kommunizieren.
Gute Kommunikation ist nicht so schwer
Die Medien haben hier bereits gute Vorarbeit geleistet. Durch die Lokalzeitung, durch TV-Nachrichten und sonstige Medienquellen hat fast jeder Bundesbürger schon von langen Wartezeiten, vollen Auftragsbüchern bei gleichzeitigen Materialengpässen, gestiegenen Preisen und so weiter gehört. Diese Berichterstattung erleichtert dem Handwerksunternehmer die Argumentation, denn so weiß der Kunde mittlerweile, dass es schwer ist, einen guten und professionellen Maler oder Stuckateur zu finden. Sie wissen, dass diese Betriebe gefragt sind und dass es eben nicht von heute auf morgen mit einem Termin klappen kann.
Daher kann der Malerunternehmer nur verlieren, wenn er auf die Anfrage des potenziellen Kunden nicht zügig reagiert und das Problem offen kommuniziert. Sich auf die Anfrage nicht zu melden oder erst extrem zeitverzögert, kommt nicht gut an und wirkt unprofessionell. Stattdessen sollte dem Kunden glasklar vermittelt werden, warum ein angefragter Auftrag derzeit nicht ausgeführt werden kann. Hat der Betrieb Interesse den Auftrag zu einem späteren, passenderen Zeitpunkt auszuführen, sollte dies ebenfalls entsprechend kommuniziert werden. Die richtige Kommunikation führt dazu, dass Kunden sehr gut nachvollziehen können, warum eine Absage oder ein Aufschub unabdingbar sind. Aber Achtung: Wird ein weit in der Zukunft liegender Ausführungszeitpunkt vereinbart, muss der Termin auch gehalten werden. Darauf verlässt sich der Kunde.
Egal, ob es sich um eine Absage oder einen Aufschub handelt. Durch den ehrlichen Umgang mit dem Kunden wird eine Vertrauensbasis geschaffen. Und die ist heutzutage nicht nur selten, sondern auch sehr wertvoll. So wird kein Kunde verärgert oder gar auf Dauer verprellt. Ein respektvoller Umgang wird immer belohnt.
Neue Aufträge an Land zu ziehen, sollte nie vorschnell und hektisch erfolgen. Besonnenheit sollte hierbei an oberster Stelle stehen, denn schließlich geht es darum rentable Aufträge zu generieren. Auch für das Jahr 2022 fällt die Prognose für die Baukonjunktur weiterhin positiv aus. So rechnen der beiden Spitzenverbände der Bauwirtschaft mit einem weiteren Umsatzplus im neuen Jahr. Das gibt den Betrieben weiterhin die Möglichkeit, bei den Auftragsanfragen zu selektieren und die für den Betrieb rentabelsten Aufträge raus zu picken. Diese Chance sollten sie nutzen.