Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, kurz BMAS, hat vor kurzem einen Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung veröffentlicht. Mit dieser Änderungsverordnung werden hauptsächlich die Regelungen zu krebserzeugenden Gefahrstoffen neu gefasst und auch neue Regelungen zur Arbeit mit Asbest aufgenommen. Der Entwurf soll in Kürze dem Kabinett vorgelegt werden.
Die Bauwirtschaft zeigt sich entsetzt ob des neuen Referentenentwurfs aus dem BMAS. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) findet außergewöhnlich deutliche Worte. Er sagt: „Der Entwurf der Gefahrstoffverordnung ist eine große Enttäuschung und muss mit Blick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten sofort gestoppt werden. Am besten, er wird dem Kabinett gar nicht erst vorgelegt, sondern wird vorher gründlich saniert und umgebaut.“ Pakleppa bemängelt, dass der Entwurf Handwerksunternehmen und ihre Beschäftigten im Umgang mit Asbest und anderen Gefahrstoffen allein lasse. „Es ist eine komplette Absage an das, was wir in 15 Jahren gemeinsamen Asbestdialog erarbeitet haben, aber auch eine Absage an den Dialog mit den Sozialpartnern.“ Mit diesen Worten macht Pakleppa seinem Unmut Luft.
Wo sieht das Baugewerbe das Kernproblem des neuen Referentenentwurfs? Streitgegenstand ist, wie der ZDB es formuliert, die Abkehr von der sogenannten „Veranlasserpflicht“. Genau darauf habe man sich im nationalen Asbestdialog verständigt, teilt der Verband in seiner Presseerklärung mit. Bauunternehmen sowie ihre Belegschaft könnten zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme nicht wissen, ob und auf welche Gefahrstoffe sie stoßen würden. Daher hätten sich die Bundesregierung, die Sozialpartner, die Berufsgenossenschaften und viele Experten im nationalen Asbestdialog darauf verständigt, dass der Eigentümer eines Gebäudes, der Bauherr (Veranlasser), erkunden müsse, ob und welche Gefahrstoffe bei der Sanierung zu erwarten seien. Auf Basis dieser vom Veranlasser gelieferten Informationen kalkulierten die Bauunternehmen ihre Angebote und legten nach der Gefährdungsbeurteilung entsprechende Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten fest.
Eine solche Pflicht war dem vorhergehenden Referentenentwurf vom 1.7.2023, also vor einem Jahr, tatsächlich zu entnehmen. Hier heißt es in §5a Absatz 1 wörtlich: „Derjenige, der Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen veranlasst, hat vor Aufnahme der Tätigkeiten zu erkunden, ob entsprechend der Bau- oder Nutzungsgeschichte des Objekts Gefahrstoffe, insbesondere Asbest, vorhanden oder zu vermuten sind, die durch die Tätigkeiten freigesetzt werden können und zu einer besonderen Gesundheitsgefährdung führen können.“ In Absatz 3 heißt es zudem: „Der Veranlasser hat sämtliche Erkundungsergebnisse zu dokumentieren. Er hat die Erkundungsergebnisse vor Aufnahme der Tätigkeiten an das mit den Tätigkeiten beauftragte Unternehmen weiterzugeben.“
In der nun vorgelegten Neufassung, die den ZDB so erzürnt, ist von alldem nichts mehr zu lesen. Hier wurde auf die technische Erkundungspflicht durch den Bauherrn verzichtet. In §5a Absatz 1 ist nunmehr zu lesen: „Derjenige, der Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen veranlasst (Veranlasser), hat vor Beginn der Tätigkeiten dem ausführenden Unternehmen alle ihm vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe schriftlich oder elektronisch zur Verfügung zu stellen. Der Veranlasser hat sich zur Informationsbeschaffung in zumutbarem Aufwand der ihm zugänglichen Unterlagen zu bedienen.“
Pakleppa bezeichnet diese Abkehr von der „Veranlasserpflicht“ als Farce. “Dass sich die Bundesregierung von der Erkundungspflicht und damit der sachgerechten und ausgewogenen Beteiligung des Bauherrn verabschiedet, ist nicht nachvollziehbar. Offensichtlich hat die Sorge Vorrang, dass Immobilienbesitzer nicht im gewünschten Umfang energetisch sanieren, wenn sie zugleich erkunden sollen, ob Gefahrstoffe in ihren Gebäuden verbaut sind. Das bedeutet aber nichts anderes, als die Gefahren und Risiken im Umgang allein den Bauunternehmerinnen und -unternehmern sowie deren Belegschaften aufzubürden. Die Sanierung von Asbest und energetische Sanierungen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz kritisiert ebenfalls den neuen Referentenentwurf, da dieser im klaren Widerspruch zu den Vereinbarungen des nationalen Asbestdialogs stehe und lehnt den neuen Referentenentwurf ab. Eine ausführliche Stellungnahme ist auf der Website des Bundesverbandes abrufbar (externer Link, zum Lesen hier klicken ->): https://www.farbe.de/aktuell/nachricht/artikel/aktualisierter-referentenentwurf-zur-gefahrstoffverordnung-veroeffentlicht
Des einen Leid, ist des anderen Freud. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V., kurz BBU, freut sich über den Wegfall der Veranlasserpflicht, der sie als Auftraggeber unmittelbar betroffen hätte, und feiert sich für ihre gute Lobbyarbeit in Berlin. So schreibt der BBU auf seiner Website: „Die vorgenommenen Anpassungen im aktuellen Referentenentwurf sind, verglichen mit dem ersten Referentenentwurf, durchweg positiv für die Wohnungswirtschaft, was ein großer Erfolg der intensiven Interessenvertretung des GdW/BBU ist.“ Mehr dazu auf der Website des BBU (externer Link, zum Lesen hier klicken ->): https://bbu.de/beitraege/grosser-erfolg-neuer-referentenentwurf-der-gefahrstoffverordnung-ohne-asbest-generalverdacht
Der Referentenentwurf ist auf der Website des BMAS abrufbar (externer Link, zum Lesen hier klicken ->): https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/verordnung-zur-aenderung-der-gefahrstoffverordnung-und-anderer.html