Das Top Event für Digitales Planen und Bauen von Infrastruktur fand am 11. und 12. September in der Kongresshalle in Gießen statt. Wer erfahren wollte, in welche Richtung sich BIM in Forschung und Praxis entwickelt, war bei diesem Kongress genau richtig. Das 6. Jahr in Folge fand dieser einzigartige Event statt, der von der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und dem 5D Institut in Kooperation mit der Deutschen Bahn veranstaltet wurde. Rund 500 Teilnehmer waren der Einladung nach Gießen gefolgt. Ausgewählte Referenten mit hochinteressanten Fachvorträgen gaben einen umfassenden Einblick und Ausblick in die Möglichkeiten, die die BIM-Methodik bereits heute bietet.
Im Mittelpunkt des Kongresses stand die Einführung von Building Information Modeling (kurz: BIM) bei der Deutsche Bahn (DB), die mit einem rund 33.000 Kilometern langen Streckennetz und allen betriebsnotwendigen Anlagen einen hohen Investitionsbedarf hat. Mehr als 9 Mrd. Euro wurden im Jahr 2018 in den Erhalt des bestehenden Netzes und des Neu- und Ausbaus gesteckt. BIM bietet daher der Deutschen Bahn als größtes Schieneninfrastrukturunternehmen Europas enormes Potenzial. Von 2016 bis 2019 hat die Deutsche Bahn in diversen Pilotprojekten die BIM-Methodik untersucht und darauf basierend BIM-Standards entwickelt. Die Pilotierung wurde vom Bund mit einem wissenschaftlichen Gutachten begleitet, das die Verwendung von BIM im Schienenwegebau der Deutschen Bahn uneingeschränkt empfiehlt. Im Ergebnis wurde konstatiert, dass BIM für eine verbesserte Planung, verbesserte Kommunikation sowie reduzierte Projektrisiken steht und wirtschaftlich vorteilhaft ist. Die Deutsche Bahn strebt die flächendeckende Einführung der BIM-Arbeitsmethode ab dem Jahr 2020 an. Aktuell werden bereits um die 400 BIM-Projekte abgewickelt.
BIM steht aber nicht nur für eine hochwertige Planung in 3D. BIM geht über die 3. Dimension hinaus. Effizienz, Transparenz und Kostensicherheit werden durch die Verknüpfung der 3D-Planungsmodelle mit Zeit- (4D) und Kostendaten (5D) erreicht. Was nach einer technologischen Herausforderung klingt, ist es nicht. Natürlich befindet sich BIM noch in der Anfangsphase und kommt derzeit erst vereinzelt bei Großprojekten zum Einsatz. Doch durch die von der Deutschen Bahn und anderen geleistete Pionierarbeit werden neue Anforderungen formuliert und umgesetzt. Dies betrifft die technologische Entwicklung ebenso wie die BIM-gerechte Weiterentwicklung von Vorschriften und Regelwerken. Letzteres betrifft beispielsweise im Bereich der Mengenermittlung eine Anpassung der VOB/C.
Von fast allen Referenten wurde aber ein Faktor herausgestellt, der entscheidend für eine breite und erfolgreiche Digitalisierung der Bauvorhaben ist. Es handelt sich dabei um den Faktor „Mensch“. Katrin Huth, Teilprojektleiterin BIM Implementierungsprojekt der DB Netz AG, brachte es mit folgender Aussage auf den Punkt: „Nur, wenn der Mensch bereit ist, BIM anzuwenden, wird diese Arbeitsmethode erfolgreich sein.“ Ohne die menschliche Bereitschaft, mit den Systemen intelligent zu arbeiten, wird BIM kein flächendeckendes Erfolgsmodell. Doch dies wird keine freiwillige Entscheidung aller am Bauprojekt Beteiligter sein. Dr. Matthias Jacob, Vizepräsident Technik des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, erklärte, dass es auch in seiner Branche noch viele gäbe, die hofften, es ginge vielleicht an ihnen vorbei. „Durch Digitalisierung, Robotik, Wertewandel in der Branche wird sich Einiges ändern, ob uns das gefällt oder nicht“, erklärte Jacob und startete einen Aufruf zum Gas geben. Wir müssten jetzt selbst Gas geben, um nichts vom Ausland übergestülpt zu bekommen. „Das Ausland schläft nicht“, konstatiert Jacob.
Im internationalen Vergleich gibt Deutschland in Sachen BIM tatsächlich keine gute Figur ab. Dies bestätigte auch Prof. Dr. Joaquín Díaz, Professor für Bauinformatik an der THM und Wissenschaftlicher Leiter des 5D-Instituts, im Gespräch mit Malerblog.net. „Alle nordeuropäischen Länder sind agiler als wir. Japan, China, Australien, Singapur ebenso“, erklärt Díaz. Und diese Aufzählung ist nicht abschließend zu verstehen, denn weltweit gesehen, rangiert Deutschland nach Aussage von Díaz ungefähr auf Nummer 21. Allerdings hebt Díaz hervor, dass Deutschland bei der Qualität der Produkte im Vergleich zu vielen anderen Ländern wesentlich besser abschneide. Die größte Aufgabe sieht Díaz im Aufbau von Kompetenzen, denn diese lägen in Deutschland nahezu bei Null. Alle am Bau Beteiligten werden in Zukunft lernen müssen zusammenzuarbeiten. Diese Form der Zusammenarbeit fasst Díaz unter dem Schlagwort „4K“ zusammen. 4K steht für „Kollaboration, Kooperation, Kommunikation und Koordination“. Diese neue Form der Zusammenarbeit erfordert ein Umdenken. Sie wird von den Beteiligten erlernt werden müssen, denn bis dato gibt es kein solches Miteinander im Planungs- und Bauprozess. Die Art und Weise der Zusammenarbeit wird sich ändern. Dies zu verstehen und umzusetzen, dürfte für alle am Bau Beteiligten eine der größten Herausforderungen in den nächsten Jahren werden. Aber genau diese Herausforderung anzunehmen, wird erforderlich sein, wenn Deutschland im Bausektor nicht den Anschluss verlieren will. BIM steht zweifelsohne für eine Produktivitätssteigerung im Planungs- und Bauprozess. Aber der Mensch wird der Schlüssel zum Erfolg.