Im Dezember 2021 starben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 101.561 Menschen. Doch der Tod eines Menschen löst bei Angehörigen oft nicht nur Trauer aus. Mit dem Tod eines Menschen beginnt für viele Angehörige eine Menge Arbeit, vor allem wenn der Verstorbene nicht vorgesorgt hat.
Wer kennt das nicht. Sich zu Lebzeiten mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, ist nicht attraktiv. Viele Menschen schieben daher den Gedanken an den Tod weit von sich. Und so hat fast jeder schon den Satz gehört oder gar selbst gesagt: „Das regele ich alles, wenn es so weit ist.“ Doch nicht immer hat man noch Zeit, alles zu regeln. Ein Autounfall oder eine kurze, schwere Krankheit – all das und noch mehr kann uns von jetzt auf gleich aus dem Leben reißen. Sterben ist keine Frage des Alters. Es kann jeden, zu jeder Zeit treffen. Werden Menschen aber unerwartet, mitten aus dem Leben gerissen und wurde keine Vorsorge getroffen, kann der Nachlass für die Erben zu einem echten Kraftakt werden. War der Verstorbene nicht nur Privatperson, sondern zudem Betriebsinhaber, ist ohne Vorsorge Chaos vorprogrammiert und die Existenz des Unternehmens ist schnell in Gefahr.
Das digitale Leben
Dies liegt nicht zuletzt an der zunehmenden Digitalisierung unseres Lebens. War es in früheren Zeiten oft ausreichend, Bankkonten und Papiere des Verstorbenen zu durchforsten, um so dem Leben und dem Nachlass des Verstorbenen auf die Spur zu kommen, sieht dies heute völlig anders aus. Dies zeigt sich bereits darin, dass die wenigsten Menschen noch Kontoauszüge in Papierform in einem Ordner chronologisch ablegen. Heutzutage werden Bankkonten als Onlinekonten geführt und wer nicht im Besitz der Anmeldedaten ist, erhält keinen Zugriff und kann auch keine Kontoauszüge einsehen. Zwar kann sich jeder Erbe mit einem amtlich ausgestellten Erbschein bei der Bank legitimieren. Doch bis ein solcher ausgestellt ist, vergehen oft Wochen.
Doch das Onlinekonto ist nur ein kleiner Ausschnitt des digitalen Lebens. Ein Verstorbener hinterlässt mittlerweile jede Menge Spuren im Internet. Seine Online-Aktivitäten und Online-Accounts bleiben auch nach seinem Tod bestehen und gehören ebenfalls zu dem sogenannten „digitalen Erbe“. Diese können sehr vielfältig sein. Zu den gängigsten Accounts gehören solche zu E-Mail-Diensten (zum Beispiel web.de, gmx.de), Hostingdiensten (zum Beispiel für die eigene Website), Online-Shops (zum Beispiel Amazon oder eBay), Bezahldiensten (zum Beispiel PayPal) und Sozialen Netzwerken (zum Beispiel Facebook, Twitter, Google, Instagram, Linkedln, Xing). Cloud-Dienste, Streaming-Abonnements (wie Netflix, Amazon Prime Video) und Abos für Online-Zeitungen nicht zu vergessen. Oft sind die Online-Accounts des Verstorbenen den Erben nicht bekannt. Und selbst wenn, verfügen sie nicht über die Zugangsdaten, verweigern ihnen die Onlinedienste häufig den Zugriff auf die Accounts.
Der digitale Nachlass
Facebook verweigerte sogar Eltern, trotz vorhandener Zugangsdaten, den Zugriff auf das Benutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter. Facebook hatte das Benutzerkonto bereits in den Gedenkzustand versetzt, sodass den Eltern ein Zugriff nicht mehr möglich war. Hiergegen wehrten sich die Eltern mit Erfolg. Im Jahr 2018 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Facebook den Eltern den Zugriff nicht hätte verweigern dürfen. Der digitale Nachlass sei genauso zu behandeln wie der analoge. Die Eltern hatten also das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter geerbt.
Mit zunehmender Digitalisierung wird beim Versterben eines Menschen der digitale Nachlass immer mehr in den Fokus rücken. Dieser neuen Lebenssituation wurden aber leider bis heute die einschlägigen Erbrechtsvorschriften, die Sicherheit geben könnten, noch nicht angepasst. Was soll also mit den Onlinekonten im Fall des Todes passieren? Nur zum Teil finden sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Online-Dienste Klauseln für den Todesfall eines Nutzers. Daher ist jeder Internetnutzer selbst gefragt, bereits zu Lebzeiten eine Antwort auf diese Frage zu finden. Die Antwort sollte am besten schriftlich für jeden einzelnen Account hinterlegt werden.
Ein weiteres, häufig nicht bedachtes Problem sind die sehr persönlichen Spuren, die wir im World Wide Web hinterlassen. So kann der digitale Nachlass sehr persönliche, pikante Details enthalten. Daher wird von dem Internetnutzer häufig nicht gewünscht, dass enge Angehörige oder bestimmte, andere Personen, nach dem Tod Zugang zu den im Chat geschriebenen Nachrichten, zu den auf Social Media veröffentlichten Posts oder in der Cloud abgelegten Fotos haben. Auch hier sollte gehandelt werden. So kann mit einer Vollmacht über den Tod hinaus explizit eine Vertrauensperson mit der Verwaltung des digitalen Nachlasses betraut werden, die dann dafür sorgt, dass dem Wunsch des Verstorbenen Rechnung getragen wird. Dabei sollte aber nicht nur frühzeitig das Einverständnis der Vertrauensperson eingeholt, sondern auch ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, um bei der Abwicklung rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
Last but not least, hilft natürlich alles nichts, wenn Hinterbliebene oder die Vertrauensperson weder Kenntnis von den bestehenden Online-Accounts noch die Zugangsdaten haben, um im Sinne des Verstorbenen handeln zu können. Daher sollte eine Auflistung aller Nutzerkonten mit Zugangsdaten bereit liegen und auch notiert sein, was mit den einzelnen Konten geschehen soll (zum Beispiel Konto- bzw. Accountlöschung oder Gedenkzustand). Diese Liste bedarf natürlich regelmäßig der Anpassung. Es versteht sich von selbst, die Liste auf Papier oder als Datei auf einem USB-Stick an einem sicheren Ort zu verwahren, sodass zu Lebzeiten niemand außer man selbst und gegebenenfalls der Vertrauensperson Zugriff darauf hat.
Übrigens: PCs, Tablets sowie Smartphones sind ebenfalls vor fremden Zugriffen geschützt und benötigen einen Entsperrcode, um sie nutzen zu können. Dies sollte ebenso bedacht werden, wie die Tatsache, dass so manches Gebäude mittlerweile mit Smart-Home-Systemen ausgerüstet ist. Auch hier sind zur Steuerung der Haustechnik diverse Zugangsdaten erforderlich. Die Liste an Zugangsdaten kann je nach individueller Intensität der Onlinenutzung recht lang werden. Die Berührungspunkte mit dem Internet sind vielfältig und sie werden in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen.
4 von 10 Deutschen sorgen vor
Daher ist es so wichtig, die eigenen digitalen Daten im Blick zu haben und Vorkehrungen zu treffen. 40 Prozent der Internetnutzer haben dies bereits erkannt und kümmern sich schon um ihr digitales Erbe wie eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, durchgeführt im Oktober 2021, ergab. Ein Viertel (24 Prozent) der Internetnutzer hat den eigenen digitalen Nachlass zumindest teilweise bereits geregelt. Weitere 16 Prozent haben dies sogar schon vollständig erledigt. 53 Prozent der Internetnutzer gaben an, dies bislang noch nicht getan zu haben, sich aber bewusst zu sein, dass sie sich um dieses Thema kümmern müssten. Laut Bitkom ergab die Umfrage zudem, dass der größte Teil derjenigen, die ihr digitales Erbe ganz oder teilweise geregelt haben, eine Vertrauensperson benannt haben, die sich um den digitalen Nachlass und die Online-Accounts kümmern soll. 58 Prozent haben bei Online-Diensten oder in sozialen Netzwerken konkrete Nachlasskontakte benannt. Etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) hat eine Liste mit Zugangsdaten zu Online-Diensten angelegt. Fast ein Viertel (22 Prozent) hat das digitale Erbe testamentarisch geregelt. Diese Zahlen zeigen recht anschaulich, dass eine steigende Anzahl an Internetnutzern um die Problemstellung, die mit der täglichen Internetnutzung verbunden ist, weiß und vorsorgt.
Wie verbreitet offenbar der Wunsch nach einem (digitalen) Leben nach dem Tod ist, offenbart ebenfalls das Umfrageergebnis. 28 Prozent der Internetnutzer wünschen sich ein digitales Leben nach dem Tod, das heißt sie wünschen, dass ihre Profile in sozialen Netzwerken auch nach ihrem Ableben weiterbestehen.
Was wollen Sie, liebe Leserin, lieber Leser? Haben Sie darüber schon nachgedacht?