Gleich von Anfang an wusste ich, dass wir mit diesem Auftrag Probleme bekommen. Haben Sie das auch schon mal zu sich selbst gesagt, wenn eine Sache wieder mal so richtig schief gelaufen ist? Und eigentlich wussten Sie das ja schon vorher. Ihr „Bauchgefühl“ hatte Sie ja gewarnt. Nur Sie haben nicht darauf gehört. Sie haben den Auftrag trotzdem angenommen. Und jetzt haben Sie die Probleme.
In der Tat sagt unser Bauch uns oft ganz schnell, wie sich eine Situation entwickeln wird. Wir haben manchmal ein gutes und manchmal auch ein schlechtes Gefühl bei einer Sache. Und oft wird unser erster Eindruck auch bestätigt. Aber manchmal liegt unser Bauchgefühl auch völlig daneben und dann funktioniert eine Sache später ganz toll, bei der wir zunächst ein schlechtes Gefühl hatten. Woran liegt das? Und was ist eigentlich „Bauchgefühl“? Wie funktioniert es?
Bauchgefühl
Zunächst einmal müssen wir mit einem weit verbreiteten Irrtum aufräumen. Der Begriff „Bauchgefühl“ meint natürlich nicht, dass sich in unserem Bauch eine Art von Entscheidungszentrum befindet. Es geht vielmehr darum, dass in unserem Kopf eine Entscheidung getroffen wird, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Stellen Sie sich beispielsweise vor, ein Ihnen bisher unbekannter Kunde bittet Sie um ein Angebot, da er seine Wohnung renovieren möchte. Sie werden den Kunden besuchen und in den ersten zwei Sekunden, in denen er Ihnen gegenüber steht, einen Eindruck gewinnen. Der Kunde wird Ihnen vielleicht sympathisch sein, oder Sie werden ihn von Anfang an nicht mögen. Dahinter steht Ihr Unterbewusstsein. Dieses besitzt die Fähigkeit noch bevor Sie überhaupt nachgedacht haben, unter die Oberfläche der Situation zu schauen und anhand ganz weniger Kriterien einzuschätzen, ob die Situation gut oder schlecht ist.
Urinstinkt „Intuition“
Dieser Wahrnehmungsprozess ist viele Millionen Jahre alt. Die Intuition war ein Schutzmechanismus, quasi eine Art „Überlebensgarantie“. Eine neue Situation musste sehr schnell als vorteilhaft oder bedrohlich eingeschätzt werden. Und weil Denken Zeit kostet, läuft dieser Prozess unterbewusst ab. Das haben wir mit in die moderne Welt genommen. Unsere neuronalen Netzwerke registrieren einige wenige Informationen. Sie filtern quasi die Situation, treffen eine Einschätzung und melden diese als Gefühl zurück. Das spüren wir dann als Wohlbefinden oder Unbehagen – durchaus auch im Bauchraum.
Intuitive Entscheidung
Damit haben wir gleich drei Kriterien kennengelernt, die eine Entscheidung als intuitive Entscheidung kennzeichnen:
(1) Unsere Einschätzung, d.h. das Urteil über eine Situation haben wir ganz schnell im Bewusstsein.
(2) Es ist uns nicht klar, warum wir das Gefühl haben, d.h. warum wir beispielsweise einen Menschen sympathisch finden oder nicht. Wir können auch zunächst keine Gründe nennen.
(3) Unser Gefühl ist stark genug um uns zu einer Handlung zu veranlassen.
Vorurteilsfalle
Genau an dieser Stelle zeigt sich ein wesentliches Problem intuitiver Entscheidungen. Wenn Sie wenige Sekunden nachdem Sie mit Ihrem neuen Kunden gesprochen haben, den Eindruck gewinnen, dass dieser ein „Sparfuchs“ ist und wenn Sie dieser Eindruck dazu verleitet dem Kunden bestimmte Gestaltungsalternativen nicht anzubieten, dann verlieren Sie mit großer Wahrscheinlichkeit Umsatz und vielleicht sogar den Auftrag. Denn es könnte sein, dass Sie mit Ihrer Einschätzung völlig falsch liegen. Ihr Kunde hätte nämlich gerne eine hochwertige Spachteltechnik und er weiß auch, dass diese etwas kosten wird. Sie haben die Situation falsch eingeschätzt. Ihre Intuition war falsch.
Die Ursache für Fehleinschätzungen ist in vielen Fällen die gleiche: Der Entscheider lässt sich unbewusst von antrainierten Verhaltensweisen oder Vorurteilen leiten. Deshalb macht sich das Unterbewusstsein gar nicht die Mühe unter die Oberfläche der Situation vorzudringen. Es wird einfach eine vorgefertigte Standardentscheidung getroffen, so nach dem Motto: „Der Kunde trägt geflickte Jeans, der will kein Geld ausgeben“. Bei genauerer Betrachtung wäre aufgefallen, dass es sich um edle Designerware handelte – übersehen, Pech gehabt. Damit Ihnen genau das nicht passiert, sollten Sie versuchen Menschen und Situationen möglichst nie mit Vorurteilen zu begegnen. Bilden Sie möglichst immer ein neues Urteil. Übrigens haben wir gerade das Grundprinzip eines jeden guten Verkäufers kennen gelernt: „Beurteile deinen Kunden nie nach Äußerlichkeiten, höre zu und vor allem kümmere dich um das Wohl deiner Kunden!“
Gute Entscheidungen
Vor diesem Hintergrund wird schnell klar, dass gute Entscheidungen auf einem ausgewogenen Verhältnis von zielgerichtetem Denken und Bauchgefühl beruhen. Natürlich ist es wichtig in den richtigen Momenten der eigenen Intuition zu vertrauen. Aber man muss auch wissen, wann es Zeit wird dem Bauchgefühl zu widerstehen und möglichst keine Spontanentscheidung zu treffen. Außerdem sollte ein guter Entscheidungsprozess so schlank wie möglich sein. Und das erfordert, dass komplizierte Probleme in einfache Entscheidungen zerlegt werden. Nur so ist es uns überhaupt möglich die relevanten Entscheidungskriterien herauszufiltern und eine spontane Entscheidung zu treffen. Denken wir kurz an unser Beispiel mit dem Kunden zurück. Warum sollten Sie nach wenigen Sekunden den Kunden schon in die Schublade „Sparfuchs“ einsortieren. Es macht doch viel mehr Sinn dem Kunden erst einmal zuzuhören, den eigenen Betrieb vorzustellen und vor allem herauszufinden, was der Kunde eigentlich will.
Gedanken lesen
Das führt uns zu der Frage, wie wir eigentlich herausbekommen können, was unser Kunde will? Ganz einfach werden Sie sagen: Einfach fragen. Und natürlich haben Sie damit Recht, denn wenn Sie fragen: „Was haben Sie sich unter der Renovierung denn vorgestellt?“, dann werden Sie garantiert eine Antwort bekommen. Allerdings wird diese nicht allumfassend sein. Der Kunde wird Dinge ansprechen, die Sie vielleicht für selbstverständlich erachten und er wird Dinge, die für Sie wichtig wären vielleicht auch gar nicht nennen. Deshalb: Fragen ist nur die halbe Wahrheit. Den wahren Gedanken und Gefühlen eines Menschen kommen wir viel besser auf die Spur, wenn wir seine Gestik und Mimik, sein Bücherregal oder die Bilder an der Wand seines Wohnzimmers ansehen, als wenn wir ihn direkt fragen. Nur wer anderen Menschen mit offenen Augen gegenüber tritt, wird latente Bedürfnisse erkennen. Und die Beobachtungsgabe unseres Bauchgefühls hilft uns dabei.
Intuition lernen
Dabei gilt: Das Bauchgefühl ist keine losgelöste Größe, es ist ein trainierbarer Faktor. Je besser wir auf einem Gebiet sind und je intensiver wir uns mit einer Sache beschäftigen, desto mehr Erfahrung sammeln wir. Erfahrung und Leidenschaft verändern die ersten Eindrücke, die unser Unterbewusstsein in einer neuen Situation gewinnt. Intuition ist zu einem großen Teil auch gelernte Erfahrung.
Umfeldkontrolle
Und wenn wir diese Erfahrung in einer neuen Situation abrufen wollen, so gilt es zwei Einflussfaktoren zu beachten: Erregung und Zeit. Stehen wir unter Stress, sind sehr erregt, dann verändert sich der intuitive Entscheidungsprozess. Mit zunehmendem Stress wird mehr und mehr fokussiert und damit werden Entscheidungsparameter ausgeblendet. Unser Gehirn schaltet auf „Vorfahrt“ und spult einfach Erfahrungen ab. Dann sind Fehlentscheidungen vorprogrammiert. Genau deshalb hört man von erfahrenen Unternehmern auch immer wieder den Satz: „Nehmen Sie nie einen Auftrag an, wenn Sie ihn brauchen!“. Ist der finanzielle Engpass im Unternehmen nur groß genug, dann besteht die Gefahr, dass selbst Aufträge angenommen werden, die normalerweise nie zur Diskussion stünden. Das gleiche gilt übrigens für Entscheidungen unter starkem Zeitdruck. Auch da schaltet unser Gehirn einfach auf „grün“. Wer das vermeiden will, der sollte versuchen das Umfeld zu kontrollieren, in dem er seiner Intuition, seinem „schnellen Denken“, freien Lauf lässt. Wer sich beispielsweise bei der Beurteilung von Mitarbeitern nicht alleine auf seine Beobachtungsgabe, sondern auf ein formalisiertes Beurteilungssystem verlässt, der läuft weniger Gefahr intuitiv die falschen Leute im Unternehmen zu belohnen.
Intuition ist eine starke Fähigkeit des Menschen andere Menschen oder Situationen in nur zwei Sekunden zu beurteilen. Damit das auch funktioniert sollte man die ersten beiden Sekunden auch wirklich ernst nehmen.
„Bauchgefühl ist keine losgelöste Größe, es ist ein trainierbarer Faktor, der auf Erfahrungswerten beruht. Intuition kann durchaus ein guter Ratgeber sein.“ Diesen Beitrag schrieb: Thomas Scheld, Geschäftsführender Gesellschafter der C.A.T.S.-Soft GmbH mit langjähriger Erfahrung in der Beratung von Handwerksbetrieben |