Nebelschwaden ziehen frühmorgens durchs Land. Die Tage werden merklich kürzer. Die Nächte dafür länger. Es ist Herbst. Herbstzeit ist auch Spechtzeit. Bei einem Sonntagsspaziergang im Wald hört man sie klopfen und freut sich als Spaziergänger an der vermeintlich intakten Natur. Seit einigen Jahren vernimmt man ihr Klopfen aber auch an Hauswänden. Das Ergebnis: tennisballgroße Löcher.
Warum hacken Spechte am Haus?
An sonnigen Herbsttagen erwärmt der Fassadenputz und lockt Insekten an. Der Specht findet hier eine tolle Speisekarte vor, die er auch gleich ausgiebig nutzt. Natürlich untersucht er dabei auch die tieferen Schichten seiner Nahrungsquelle. Und siehe da: Wärmegedämmte Fassaden klingen hohl und täuschen ihm quasi Faulholz unter der Oberfläche vor. Da er die Täuschung natürlich nicht versteht, freut ihn sein Fund und er sucht sogleich wie bei einem Baumstamm fröhlich in tieferen Schichten nach Nahrung bzw. richtet sich eine Schlafstätte ein. Gleiches gilt fürs Frühjahr, wenn er auf Suche nach einer geeigneten Brutstätte ist.
Die anfängliche Nahrungssuche könnte auch die Erklärung dafür sein, warum man als Übeltäter meist Buntspechte ausmacht. Zwar ist der Buntspecht auch der häufigste Specht in unseren Breitengraden. Aber Specht ist nicht gleich Specht. Der Grünspecht, Vogel des Jahres 2014, gehört zum Beispiel zu den Erdspechten, das heißt er sucht seine Nahrung bevorzugt am Boden. Zu seinen Lieblingsspeisen gehört die Ameise. Da er seine Nahrung weniger in luftiger Höhe sucht, locken ihn auch Fassaden vermutlich weniger. Der Buntspecht hingegen ist ein sogenannter Baumspecht. Er sucht seine Nahrung an Baumrinden und frißt gerne Insekten und Larven. Und so gehört für ihn das Stochern, Hacken und Klopfen auf Holz zum Programm.
Vogelschützer, Hausbesitzerverbände und andere suchen händeringend nach Erklärungen, die das sonderbare Verhalten des Waldvogels erklären. Aber hundertprozentig sicher weiß man bislang noch nicht, was die Spechte verleitet, derart Verrücktes zu tun. Vielleicht hat sich der Specht auch einfach nur in der Hausnummer geirrt.
Löcher in der Hausfassade. Was jetzt?
Des einen Freud, des anderen Leid. Der Specht hat einen schönen Schlaf- oder Brutplatz, der Hausbesitzer ein unschönes Loch. Die Löcher, die in der Hausfassade zurück bleiben, sind aber nicht nur unschön, sie sind auch schädlich. Wird die Fassade derart durchlöchert, dringt schnell Feuchtigkeit ein und es entsteht eine Kältebrücke. Hier muß schnell gehandelt werden, bevor Folgeschäden wie beispielsweise Schimmelbefall entstehen. Auch Milben und größere Insekten finden in diesen Löchern ein neues Zuhause.
Es ist daher jedem Hausbesitzer zu raten, so schnell wie möglich einen Fachmann mit der Schadenbeseitigung zu beauftragen. Für einen Maler keine große Sache. Es sei denn, es handelt sich um ein Hochhaus. Für ein halbes Dutzend Spechtlöcher ein Gerüst zustellen oder mit einer Arbeitsbühne zu arbeiten, wäre zu kostenaufwendig. Hier kommen meist Maler zum Einsatz, die auch als Fassadenkletterer entsprechend ausgebildet sind wie beispielsweise ein Malerteam der Kletter-Spezial-Einheit aus Bad Soden-Salmünster. Auch der Berliner Malermeister Holm Draber hat sich mit seinem Team neben der Beseitigung von Graffiti- und Lackschäden auf die Beseitigung von Spechtschäden spezialisiert. Er bietet sogar Specht-Geschädigten eine Telefon-Hotline an. Mit dieser Geschäftsidee wurde ihm auch in Rundfunk und Fernsehen viel Aufmerksamkeit zuteil. Über die Arbeit dieser Berliner Spechtschaden-Eingreiftruppe erfährt man mehr unter unter www.spechtschaden.de. Den Spechtschäden zu Leibe rückt auch ein Zusammenschluß von Industriekletterern, die im Netz unter www.spechtfritze.de zu finden sind.
Für Hausbesitzer sind und bleiben Spechtlöcher aber eine Tragödie. Denn meist bleibt es nicht bei einem einzigen Loch, auch dann nicht, wenn die Löcher aufwendig beseitigt wurden. Hat der Specht erst ein Lieblingsplätzchen gefunden, dann macht er munter weiter. Auch bleibt der Hausbesitzer auf den Kosten für die Schadenbeseitigung sitzen, denn die Gebäudeversicherung übernimmt die Kosten nicht. Daher werden oft auch Maler mit der folgenden Frage der Hausbesitzer konfrontiert:
Wie kann man den hackwütigen Vögeln das Handwerk legen?
Um es vorweg zu sagen: Spechte stehen unter dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes. Das heißt Töten, Verletzen oder Fangen sind nicht erlaubt. Doch gibt es zahlreiche Maßnahmen, wenngleich diese auch keine hundertprozentige Lösung darstellen, die es im Fall der Fälle auszuprobieren lohnt.
Lebensechte Vogel-Attrappen
Wie die Döbelner Allgemeine Zeitung berichtete, hatte ein Specht an einer Styroporfassade in Döbeln sichtbare Spuren hinterlassen. Die Wohnungsgesellschaft ließ daraufhin die Löcher fachmännisch verschließen und versuchte sodann mit einer „solarbetriebenen Vogelabwehranlage“ die Fassadenzerstörer zu vertreiben. Die Technik bewährte sich aber wohl nicht. Die anschließend an der Hauswand angebrachte Attrappe eines Schwarzspechtes hatte laut Zeitungsbericht hingegen wesentlich mehr Erfolg.
In lebensechte Vogel-Attrappen sieht auch der Landesbund für Vogelschutz in Bayern eine Chance auf Abhilfe. In Betracht kommen Spechtattrappen, die dem Hacker wohl suggerieren sollen, das Revier sei schon besetzt oder auch Attrappen von Feinden des Spechts wie Uhu, Sperber und Habicht. Auch das Aufmalen oder Anbringen von Greifvogel-Silhouetten an der Hauswand wird oft als Abwehrmaßnahme empfohlen. Da Spechte aber schnell dazulernen, ist diese Abwehr in vielen Fällen nicht von Dauer. Merkt er erst, daß ihm von diesen Wesen, die immer an derselben Stelle hocken, keine Gefahr droht, hackt er munter weiter.
Ruhestörung erlaubt
Damit erst gar kein Wohlfühleffekt beim Specht entsteht, soll es auch hilfreich sein, ihn mit lautem Rufen, Klatschen, Pfeifen oder Trommeln zu vergrämen. Auch das Wedeln mit Tüchern oder das Anbringen von Flatterbändern, Wimpeln oder eines Windspiels aus alten CDs an der Hausfassade können wirksame Maßnahmen sein. Aber auch hier besteht die Gefahr der Gewöhnung. Daher sollten die an der Hausfassade angebrachten „Windspiele“ öfters wechseln oder ihren Standplatz ändern.
Glatter Putz – dicker Putz – harter Putz
Tatsache ist: Je rauer und griffiger der Fassadenputz, desto besser kann sich der Specht festhalten. Fest steht auch: Je dünner die Putzschicht, desto schneller ist die Höhle gebaut. Aus dieser Erkenntnis könnten doch Lösungsansätze erwachsen, bei dem auch Maler dem Hausbesitzer hilfreich zur Seite stehen können. Doch ganz so einfach ist es auch hier nicht.
Glatte Putze gewähren Spechten weniger Halt. Sie rutschen ab. Diese Tatsache kann sicherlich bei Neubauten oder anstehenden Fassadensanierungen Berücksichtigung finden. Laut dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern können sich Spechte aber noch an Putzkörnungen von zwei bis drei Millimetern festhalten – wenn auch nicht so gut wie an Rauputz.
Glatt ist aber das Stichwort für eine andere Abwehrmaßnahme. Spechte fliegen häufig zuerst die Gebäudeecken an. Einen Ansitzschutz bieten daher Kantenschutzprofile an Fassadenecken, da sie den Vögeln keinen Halt bieten. Werden die Profile in der Fassadenfarbe pulverbeschichtet, so bleibt das einheitliche Gesamtbild der Fassade erhalten.
Dicke Putzschichten machen dem Specht mehr Arbeit beim Höhlenbau. Das macht ihn oft lustlos, denn auch er schätzt den schnellen Erfolg. Wie dick aber ein Putz über eine Wärmedämmung überhaupt angebracht werden kann, läßt sich nicht allgemein sagen, da es von verschiedenen Faktoren wie dem verwendeten Material abhängt. Hier ist der Fachmann gefragt zu klären, was geht und was nicht. Nach Ansicht der Bausachverständigen des Verbandes Privater Bauherren (VPB) erscheint eine Zentimeter starke Putzschicht, bestehend aus einer sieben Millimeter starken Gewebespachtelung und drei Millimetern Oberputz durchaus geeignet den Schnabelhieben standzuhalten.
Aber auch die Putzhersteller beschäftigt das Phänomen des Fassadenspechts. So beschreibt Caparol in ihrem aktuellen WobauReport 18/2014 ein Versuchsprojekt. Die Herausforderung war eine derart widerstandsfähige Putzschale zu entwickeln, die den Specht von vornherein aufgeben läßt. Ein neuartiges, besonders oberflächenhartes Putzsystem mit Carbon wurde entwickelt, das sich laut Hersteller an einem Darmstädter Objekt bewährt hat. An dem Objekt wurden Teilflächen mit dem neuen Putz beschichtet. Und siehe da: Der Specht kam wieder, mühte sich aber vergeblich an der neuen Putzschicht ab und gab auf. Dieses positive Ergebnis stimmte zwar alle Beteiligten froh, wird aber auch seitens des Herstellers realistisch gesehen und als „singuläre Objekterfahrung“ beschrieben. Spechte sind eben stur und unberechenbar. Keiner weiß, ob ein Specht nicht auch an diesem Material Gefallen findet, auch wenn er sich daran im übertragenen Sinn „die Zähne ausbeißt“.
Das Ei des Kolumbus wurde zur Problemlösung also noch nicht gefunden. Aber es gibt einige Maßnahmen, die verzweifelte Hausbesitzer zumindest ausprobieren können. Erfolgsgarantien gibt’s jedoch nicht.
Mehr Informationen zum Thema gibt’s hier:
Ratgeber des Landesbundes für Vogelschutz, Kreisgruppe München:
Wer klopft denn da? Spechte als Fassadenhacker
Flyer von BirdLife Österreich: Spechtschäden an Gebäuden
Foto: Thomas Marx, www.tm-naturfoto.de